Bundesgerichtshof bestätigt Pflicht zur unverzüglichen Löschung aufgezeichneter Telefonate zwischen Verteidigern und Beschuldigten

 

 

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen einen Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs als unbegründet verworfen, in dem dieser festgestellt hat, dass die Ermittlungsbehörden es rechtswidrig unterlassen haben, die automatisch gefertigte Aufzeichnung zweier Telefonate unverzüglich zu löschen, die ein Rechtsanwalt zur Anbahnung eines Mandatsverhältnisses geführt hatte. Entgegen anderslautender Berichte in Presse, Funk und Fernsehen waren diese Aufzeichnungen allerdings nicht bei einer gezielten Abhörmaßnahme gegen den Rechtsanwalt angefallen. Vielmehr stammten sie aus einer vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs angeordneten Überwachung des Telefonanschlusses eines Beschuldigten, gegen den der Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland führt. Auf diesem Anschluss hatte der Rechtsanwalt angerufen, um dem Beschuldigten seine Dienste als Verteidiger anzubieten. Dieses Angebot hatte der Beschuldigte später angenommen.

 

Der 3. Strafsenat hat nunmehr die Auffassung des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs bestätigt, dass der Rechtsanwalt berechtigt ist, das Zeugnis über den Inhalt der beiden Telefonate zu verweigern, obwohl diese nur der Anbahnung des Mandatsverhältnisses mit dem Beschuldigten dienten. Nach der bestehenden Gesetzeslage waren die von ihnen im Rahmen der Überwachung des Telefonanschlusses des Beschuldigten automatisch gefertigten Aufzeichnungen daher unverzüglich zu löschen. Sie durften insbesondere auch nicht zum Zwecke der späteren gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Anordnung und Vollzug der Überwachungsmaßnahme weiter aufbewahrt werden.

 

Beschluss vom 18. Februar 2014 – StB 8/13

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 7. März 2014)

 


Überwachung von Personen mittels an Fahrzeugen angebrachter GPS-Empfänger ist grundsätzlich strafbar

 

Das Landgericht Mannheim hat den Betreiber einer Detektei sowie einen seiner Mitarbeiter wegen gemeinschaftlichen vorsätzlichen unbefugten Erhebens von Daten gegen Entgelt in mehreren Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen unterschiedlicher Höhe verurteilt, deren Vollstreckung es jeweils zur Bewährung ausgesetzt hat.

 

Die Angeklagten hatten verdeckt für verschiedene Auftraggeber (Privatpersonen) Überwachungsaufträge ausgeführt, die zu Erkenntnissen über das Berufs- und/oder das Privatleben von Personen (Zielpersonen) führen sollten. Die Motive der Auftraggeber waren im Einzelnen unterschiedlich: Vorwiegend ging es um wirtschaftliche und private Interessen, die sich teilweise, etwa im Zusammenhang mit Eheauseinandersetzungen, auch überschnitten.

 

Zur Erfüllung ihres Auftrags bedienten sich die Angeklagten in großem Umfang der GPS-Technik (Global Positioning System), indem sie einen GPS-Empfänger unbemerkt an den Fahrzeugen der Zielpersonen anbrachten. Dadurch konnten sie feststellen, wann und wo sich das jeweilige Fahrzeug aufhielt. Auf diese Weise erstellten sie Bewegungsprofile der Zielpersonen.

 

Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Landgericht die Angeklagten wegen einer Reihe strafbarer Verstöße gegen das Bundesdatenschutzgesetz (§§ 44* iVm. 43 Abs. 2 Nr. 1 ** BDSG) verurteilt. Nach Auffassung des Landgerichts waren die Angeklagten nicht im Sinne von §§ 28 Abs. 1 Nr. 2*** oder 29 Abs. 1 Nr. 1**** BDSG befugt, die GPS-Empfänger einzusetzen. Differenzierungen zwischen den einzelnen Fällen hat es nicht vorgenommen.

 

Mit ihren Revisionen haben sich die Angeklagten u.a. gegen die rechtliche Bewertung des Landgerichts gewandt, die Datenerhebung durch die Angeklagten sei unbefugt gewesen. Die erforderliche einzelfallbezogene Abwägung der widerstreitenden Interessen habe das Landgericht nicht vorgenommen.

 

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die heimliche Überwachung der "Zielpersonen" mittels eines GPS-Empfängers grundsätzlich strafbar ist. Zwar ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall erforderlich. Jedoch kann lediglich bei Vorliegen eines starken berechtigten Interesses an dieser Datenerhebung die Abwägung ausnahmsweise (etwa in notwehrähnlichen Situationen) ergeben, dass das Merkmal des unbefugten Handelns bei diesen Einsätzen von GPS-Empfängern zu verneinen ist.

 

Ob solche Ausnahmen in einigen Fällen vorlagen, konnte nicht abschließend überprüft werden, da das Landgericht, das von einem anderen rechtlichen Maßstab ausgegangen war, hierzu keine ausreichenden Feststellungen getroffen hatte. Dies führte zu einer Aufhebung und Zurückverweisung wegen eines Teils der angeklagten Fälle an eine andere Strafkammer des Landgerichts.

 

Soweit hingegen nach den Urteilsfeststellungen die Annahme eines solches berechtigten Interesses von vorneherein ausgeschlossen war, hatten die Schuld- und Einzelstrafaussprüche Bestand.

 

Urteil vom 4. Juni 2013 – 1 StR 32/13

 

LG Mannheim – Urteil vom 18. Oktober 2012 – 4 KLs 408 Js 27973/08

 

Karlsruhe, den 4. Juni 2013

 

Bundesdatenschutzgesetz

 

* § 44 Strafvorschriften

 

(1) Wer eine in § 43 Abs. 2 bezeichnete vorsätzliche Handlung gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

 

(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt. Antragsberechtigt sind der Betroffene, die verantwortliche Stelle, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit und die Aufsichtsbehörde.

 

** § 43 Bußgeldvorschriften

 

(1) …

 

(2) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig

 

1. unbefugt personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, erhebt oder verarbeitet,

 

 

*** § 28 Datenerhebung und -speicherung für eigene Geschäftszwecke

 

(1) Das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke ist zulässig

 

1. …

 

2. soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt, oder

 

3. …

 

**** § 29 Geschäftsmäßige Datenerhebung und -speicherung zum Zweck der Übermittlung

 

(1) Das geschäftsmäßige Erheben, Speichern, Verändern oder Nutzen personenbezogener Daten zum Zweck der Übermittlung, insbesondere wenn dies der Werbung, der Tätigkeit von Auskunfteien oder dem Adresshandel dient, ist zulässig, wenn

 

1. kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung hat,

 

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 04.06.2013)


Anbau von Cannabis: Auf die geplante und erwartete Verkaufsmenge kommt es an

 

Eine Frage gab es gelegentlich, wenn eine Cannabis-Plantage entdeckt wurde, die gerade frisch angelegt war. Die Setzlinge waren noch nicht so weit gediehen, als dass ein nennenswerter THC-Gehalt vorhanden war. Kann nun dennoch aufgrund der vorhandenen Pflänzchen und der erwarteten Erntemenge von einem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ausgegangen werden?

 

Es kann. Dies hat der Bundesgerichtshof eindeutig klargestellt. Im Urteil vom 20.12.2012 (Az. 3 StR 407/12) hat der BGH klargestellt:

 

"Der Senat folgt für die hier in Rede stehende Fallkonstellation seiner in einer früheren Entscheidung (Beschluss vom 28. Oktober 2008 - 3 StR 409/08, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Handeltreiben 5) bereits angedeuteten Ansicht, dass für die Abgrenzung des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG vom Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) die Menge maßgeblich ist, die mit der bereits begonnenen Aufzucht der Pflanzen letztlich erzielt und gewinnbringend veräußert werden soll.

 

bb) Für ein solches Ergebnis spricht die Definition des Handeltreibens, nach der es nicht auf ein tatsächlich erfolgreiches Umsatzgeschäft, sondern auf ein Verhalten ankommt, das auf ein solches gerichtet ist. Dementsprechend ist anerkannt, dass ein als bindend gewollter Abschluss eines Erwerbsgeschäfts ein vollendetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln unabhängig davon darstellt, ob das zu liefernde Rauschgift überhaupt bereitsteht oder vorhanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 1999 - 3 StR 22/99, NJW 1999, 2683, 2684 mwN; Beschluss vom 21. April 2009 - 3 StR 107/09, StraFo 2009, 344). Ähnlich war nach den Feststellungen auch hier die bereits begonnene Pflanzenaufzucht darauf gerichtet, letztlich mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel zu treiben."

 

 


Sittenwidrigkeit von Körperverletzungen trotz erteilter Einwilligung bei verabredeten tätlichen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen

 

 

Das Landgericht Stuttgart hat drei heranwachsende Angeklagte wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung zu unterschiedlichen Sanktionen des Jugendstrafrechts verurteilt. Sie hatten die Taten als Mitglieder einer Jugendgruppe begangen, die nach vorangegangenen wechselseitigen Provokationen mit Angehörigen einer weiteren Gruppe Jugendlicher und junger Erwachsener verabredet hatte, sich miteinander zu schlagen. Die an dieser faktisch zustande gekommenen Übereinkunft Beteiligten beider Gruppen stimmten zu, die Auseinandersetzung auch mit Faustschlägen und Fußtritten auszutragen. Den Eintritt selbst erheblicher Verletzungen billigten sie jeweils. Im Verlaufe der wechselseitigen Tätlichkeiten erlitten mehrere Angehörige der gegnerischen Gruppe nicht unerhebliche Verletzungen. So musste etwa einer der "Gegner" drei Tage stationär, davon einen Tag auf der Intensivstation, behandelt werden.

 

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen der von ihnen begangen oder als Mittäter der übrigen Gruppenmitglieder zu verantwortenden Körperverletzungen verurteilt. Die von den später Verletzten aus der gegnerischen Gruppe erteilten Einwilligungen in die Schläge und Tritte hat es nicht als Rechtfertigung zugunsten der Angeklagten gewertet. Nach Auffassung des Tatgerichts verstießen die Körperverletzungen trotz dieser Einwilligungen im Sinne von § 228 StGB gegen die "guten Sitten".

 

Mit ihren Revisionen haben sich die Angeklagten u.a. gegen diese rechtliche Bewertung gewandt. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Rechtsmittel jedoch verworfen und im Ergebnis die Rechtsauffassung des Landgerichts bestätigt. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat bislang bereits Einwilligungen von späteren Opfern von Körperverletzungen keine rechtfertigende Wirkung beigemessen, wenn die Taten mit einer konkreten Gefahr des Todes für die Opfer verbunden sind. Nunmehr hat der 1. Strafsenat deutlich gemacht, dass jedenfalls bei wie hier verabredeten wechselseitigen Tätlichkeiten zwischen Gruppen § 228 StGB die Wirksamkeit der erteilten Zustimmung zu eigenen Verletzungen regelmäßig ausschließt, weil die typischerweise eintretenden gruppendynamischen Prozesse generell mit einem so erheblichen Grad an Gefährdung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der Kontrahenten verbunden sind, dass die Grenze der "Sittenwidrigkeit" der Taten überschritten ist.

 

Die Entscheidung des 1. Strafsenats wird – auch wenn darüber nicht unmittelbar zu entscheiden war – Auswirkungen die strafrechtliche Bewertung verabredeter Schlägereien zwischen rivalisierenden Hooligan-Gruppen haben (häufig sog. Dritte Halbzeit). Selbst wenn solche körperlichen Auseinandersetzungen auf getroffenen Abreden über die Art des "Kampfes" beruhen, werden sich die Taten wegen der typischen Eskalationsgefahren trotz der Einwilligungen sämtlicher Beteiligungen als Verstoß gegen die "guten Sitten" erweisen.

 

Dagegen sind mit erheblichen Gesundheitsgefahren verbundene Sportwettkämpfe auch bei Austragung durch Mannschaften nicht betroffen. Das vorhandene Regelwerk der Sportarten, dessen Einhaltung regelmäßig durch eine neutrale Instanz kontrolliert wird, begrenzt üblicherweise den für die Beteiligten vorhandenen Gefährdungsgrad. Wie schon bisher sind strafbare Körperverletzungen hier erst dann gegeben, wenn diese aus grob regelwidrigem Verhalten hervorgehen.

 

LG Stuttgart – Urteil vom 10. Juli 2012 – 20 KLs 57 Js 58352/11 Hw.

 

Beschluss vom 20. Februar 2013 - 1 StR 585/12

 

Karlsruhe, den 25. März 2013

 

§ 228 Einwilligung

 

Wer eine Körperverletzung mit Einwilligung der verletzten Person vornimmt, handelt nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt.

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 25.03.2013)


Zulässigkeit einer Berichterstattung über ein laufendes Strafverfahren

 

 

Der Kläger war bis zu seiner Verhaftung im März 2010 wegen des Verdachts der Vergewaltigung einer damaligen Freundin als Fernsehmoderator und Journalist tätig. Er wendet sich mit seinem Unterlassungsbegehren gegen eine ihn betreffende Online-Berichterstattung auf dem von der Beklagten betriebenen Internetportal "www.bild.de" während eines gegen ihn geführten Strafverfahrens.

 

Kurz nach seiner Verhaftung begann eine intensive Medienberichterstattung über das gegen ihn wegen schwerer Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung eingeleitete Strafverfahren sowie über sein bis zu diesem Zeitpunkt der breiten Öffentlichkeit unbekanntes Privatleben, insbesondere seine Beziehungen zu Frauen. Durch inzwischen rechtskräftiges Urteil wurde er von den Tatvorwürfen freigesprochen.

 

In dem vom Bundesgerichtshof verhandelten Rechtsstreit hat der Kläger das verklagte Presseorgan auf Unterlassung wegen noch vor der Eröffnung des Hauptverfahrens erfolgter Äußerungen in einem am 13. Juni 2010 auf der von der Beklagten betriebenen Internetseite aufrufbar gestellten Artikel mit der Überschrift "Magazin "Focus" veröffentlicht intime Details - Der K….-Krimi: Neue Indizien aus der Tatnacht" in Anspruch genommen. Anlass des Artikels waren bekannt gewordene Passagen aus der Einlassung des Klägers in seiner ersten richterlichen Vernehmung. Das Protokoll dieser Vernehmung wurde später in der öffentlichen Hauptverhandlung im Strafverfahren verlesen.

 

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen die beanstandeten Äußerungen, aus denen sich Rückschlüsse auf die sexuellen Neigungen des Klägers ergaben, wie in dem Artikel vom 13. Juni 2010 zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

 

Auf die Revision der Beklagten hat der unter anderem für den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Unterlassungsklage abgewiesen.

 

Wegen der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz) folgenden und in Art. 6 Abs. 2 der europäischen Menschenrechtskonvention anerkannten Unschuldsvermutung und einer möglichen durch die Medienberichterstattung bewirkten Stigmatisierung war die Veröffentlichung im Juni 2010 wegen einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers rechtswidrig. Ein Unterlassungsanspruch des Klägers besteht gleichwohl nicht. Nach Verlesung des Protokolls über seine haftrichterliche Vernehmung in der öffentlichen Hauptverhandlung war eine aktuelle Prozessberichterstattung unter Einbeziehung der beanstandeten Äußerungen zulässig. Infolgedessen ist die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfallen. Der Unterlassungsanspruch ist auch nicht wieder neu entstanden. Der Kläger hat sich mit seinem Unterlassungsantrag gegen die aktuelle Berichterstattung im Strafverfahren gewandt. Umstände dafür, dass die Beklagte eine erneute Veröffentlichung in dieser Form vornehmen könnte, sind nicht ersichtlich.

 

Urteil vom 19. März 2013 - VI ZR 93/12

 

Landgericht Köln, Urteil vom 22. Juni 2011 – 28 O 956/10

 

OLG Köln, Urteil vom 14. Februar 2012 – 15 U 123/11

 

(veröffentlicht in ZUM 2012, 330 und in MMR 2012, 768)

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 19. März 2013)

 


Bundesgerichtshof bestätigt nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach Jugendstrafrecht

 

 

Der Verurteilte war durch das Landgericht Regensburg mit Urteil vom 29. Oktober 1999 wegen Mordes - begangen zur Befriedigung des Geschlechtstriebs und um eine andere Straftat zu verdecken - zu einer Jugendstrafe von zehn Jahren verurteilt worden. Dieser Anlassverurteilung lag zu Grunde, dass der Verurteilte im Alter von 19 Jahren im Juni 1997 eine 31-jährige Joggerin auf einem Waldweg in der Absicht, sie unter massiver Gewaltanwendung zu vergewaltigen und anschließend zu töten, überfallen hatte. Als sein Opfer reglos am Boden lag, nahm er von seinem Vergewaltigungsvorhaben Abstand, legte den Genitalbereich der bereits toten oder im Sterben liegenden Frau frei und onanierte bis zum Samenerguss auf sie, um dadurch Macht über sein Opfer auszuüben.

 

Der Verurteilte hat die Jugendstrafe bis zum 17. Juli 2008 vollständig verbüßt. Seit dem 18. Juli 2008 ist er einstweilig in der Sicherungsverwahrung untergebracht. Das Landgericht hatte mit Urteil vom 22. Juni 2009 nachträglich die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Auf die Revision des Verurteilten hatte der Bundesgerichtshof diese Anordnung mit Urteil vom 9. März 2010 bestätigt.

 

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 4. Mai 2011 die bezeichneten Entscheidungen aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.

 

Nach den Vorgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat das Landgericht mit Urteil vom 3. August 2012 die Voraussetzungen der nachträglichen Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung erneut geprüft und eine solche wiederum angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung des Verfahrensrechts und des materiellen Rechts gestützte Revision des Verurteilten hat der Bundesgerichtshof nunmehr mit Beschluss vom 4. März 2013 verworfen, da keine Verfahrensfehler vorliegen und materielles Recht nicht verletzt wurde.

 

Damit ist die nachträgliche Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung rechtskräftig.

 

1 StR 37/13 – Beschluss vom 5. März 2013

 

Landgericht Regensburg - Urteil vom 3. August 2012 - NSV 121 Js 17 270/1998 jug.

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 12. März 2013)

 


Bundesgerichtshof zur Sicherungsverwahrung neben lebenslanger Freiheitsstrafe

 

Das Landgericht Stade hat den Angeklagten wegen Mordes in drei Fällen sowie einer Reihe weiterer Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Es hat weiter festgestellt, dass die Schuld des Angeklagten besonders schwer wiegt, und zusätzlich die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

 

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat heute die Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe und die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld bestätigt. Das bedeutet, dass der Angeklagte länger als die Mindestverbüßungszeit von 15 Jahren und möglicherweise bis an sein Lebensende in Strafhaft bleibt.

 

Aufgehoben hat der Bundesgerichtshof hingegen die Anordnung der Sicherungsverwahrung. Das Bundesverfassungsgericht hat im Mai 2011 die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig erklärt und bis zum Inkrafttreten eines neuen Gesetzes die Anordnung der Maßregel nur dann für zulässig erachtet, wenn sie unerlässlich ist, um die Sicherheit der Allgemeinheit zu gewährleisten. In Übereinstimmung mit einer Entscheidung des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom Juli des vergangenen Jahres hat der Senat im zu entscheidenden Fall die Unerlässlichkeit der Sicherungsverwahrung neben der verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe verneint. Letztere wird auch in etwa 20 Jahren nicht zur Bewährung ausgesetzt werden können, wenn der Angeklagte dann noch gefährlich ist. Die Aussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung setzt nämlich voraus, dass dies unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit verantwortet werden kann (§ 57a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB). Nur wenn sich im Laufe der Verbüßung der Strafhaft herausstellt, dass der Angeklagte nicht mehr gefährlich ist, wird er also aus der Strafhaft zu entlassen werden können. In diesem Fall dürfte indes auch eine zusätzlich angeordnete Sicherungsverwahrung nicht mehr vollzogen werden (§ 67c Abs. 1 StGB). Daraus folgt, dass durch die zusätzliche Anordnung der Sicherungsverwahrung kein zusätzlicher Gewinn für die Sicherheitsbelange der Allgemeinheit erzielt werden könnte.

 

Urteil vom 10. Januar 2013 – 3 StR 330/12

 

LG Stade - Urteil vom 27. Februar 2012 – 10a Ks 121 Js 24177/01 (4/11)

 

Karlsruhe, den 10. Januar 2013

 

 

 

 

§ 57 Absatz 1 StGB

 

 

Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,

2.dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und

3.die verurteilte Person einwilligt.

 

§ 57a StGB

 

 

Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,

2.nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und

3.die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen.

 

§ 67c Absatz 1 StGB

 

Wird eine Freiheitsstrafe vor einer zugleich angeordneten Unterbringung vollzogen, so prüft das Gericht vor dem Ende des Vollzugs der Strafe, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert. Ist das nicht der Fall, so setzt es die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus; mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein.

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 10.01.2013)


Bundesgerichtshof bestätigt Verurteilung wegen Vergewaltigung trotz rechtswidrigen Umgangs mit Daten aus Massengentest

 

 

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat heute die Verurteilung eines Jugendlichen wegen Vergewaltigung zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren durch das Landgericht Osnabrück bestätigt.

 

Das Landgericht hatte sich von der Täterschaft des Angeklagten maßgeblich deshalb überzeugt, weil beim Tatopfer Zellmaterial gesichert werden konnte, das mit dem DNA-Identifizierungsmuster des Angeklagten übereinstimmt. Zur Ermittlung des Angeklagten als mutmaßlichem Täter hatten die Ergebnisse einer molekulargenetischen Reihenuntersuchung (§ 81h StPO) geführt, an der ca. 2.400 Männer teilgenommen hatten - unter ihnen der Vater und ein Onkel des Angeklagten. Deren DNA-Identifizierungsmuster stimmten zwar mit dem der Tatspuren nicht vollständig überein, wiesen aber eine so hohe Übereinstimmung auf, dass sie auf eine Verwandtschaft mit dem Täter schließen ließen.

 

Der Angeklagte hat im Revisionsverfahren neben anderen Beanstandungen mit einer Verfahrensrüge insbesondere geltend gemacht, die bei der molekulargenetischen Reihenuntersuchung festgestellten DNA-Identifizierungsmuster hätten nicht auf verwandtschaftliche Ähnlichkeiten abgeglichen und im weiteren Verfahren nicht gegen ihn verwertet werden dürfen.

 

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat zunächst die von der Revision behaupteten Verfahrensfehler bei der Durchführung der DNA-Reihenuntersuchung verneint. Jedoch hätte die bei der Auswertung der Proben festgestellte mögliche verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem Vater und dem Onkel des Angeklagten mit dem mutmaßlichen Täter nicht als verdachtsbegründend gegen den Angeklagten verwendet werden dürfen. Denn § 81h Abs. 1 StPO erlaubt den Abgleich von DNA-Identifizierungsmustern nur, soweit dies zur Feststellung erforderlich ist, ob das Spurenmaterial von einem der Teilnehmer der Reihenuntersuchung stammt. Gleichwohl hat der Senat entschieden, dass die Übereinstimmung des DNA-Identifizierungsmusters des Angeklagten mit demjenigen der Tatspur vom Landgericht bei seiner Überzeugungsbildung verwertet werden durfte. Zwar ist dieses Identifizierungsmuster rechtswidrig erlangt worden; denn der ermittlungsrichterliche Beschluss, der die Entnahme von Körperzellen des Angeklagten zur Feststellung dieses Musters anordnete (§ 81a StPO), beruhte auf dem durch die unzulässige Verwendung der Daten aus der DNA-Reihenuntersuchung hergeleiteten Tatverdacht gegen den Angeklagten. Indes führt dies in dem konkret zu entscheidenden Fall bei der gebotenen Gesamtabwägung nicht zu einem Verwertungsverbot. Entscheidend hierfür ist der Umstand, dass die Rechtslage zum Umgang mit sog. Beinahetreffern bei DNA-Reihenuntersuchungen bisher völlig ungeklärt war und das Vorgehen der Ermittlungsbehörden daher noch nicht als willkürliche Missachtung des Gesetzes angesehen werden kann. Der Verfahrensverstoß wiegt daher nicht so schwer, dass demgegenüber die Interessen der Allgemeinheit an einer effektiven Strafverfolgung hier zurücktreten müssten.

 

Urteil vom 20. Dezember 2012 - 3 StR 117/12

 

Landgericht Osnabrück - 3 KLs 10/11 - Urteil vom 2. November 2011

 

Karlsruhe, den 20. Dezember 2012

 

§ 81h StPO lautet:

 

(1) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, dass ein Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung begangen worden ist, dürfen Personen, die bestimmte, auf den Täter vermutlich zutreffende Prüfungsmerkmale erfüllen, mit ihrer schriftlichen Einwilligung

 

1. Körperzellen entnommen,

 

2. diese zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters und des Geschlechts molekulargenetisch untersucht und

 

3. die festgestellten DNA-Identifizierungsmuster mit den DNA-Identifizierungsmustern von Spurenmaterial automatisiert abgeglichen werden,

 

soweit dies zur Feststellung erforderlich ist, ob das Spurenmaterial von diesen Personen stammt, und die Maßnahme insbesondere im Hinblick auf die Anzahl der von ihr betroffenen Personen nicht außer Verhältnis zur Schwere der Tat steht.

 

(2) Eine Maßnahme nach Absatz 1 bedarf der gerichtlichen Anordnung. Diese ergeht schriftlich. Sie muss die betroffenen Personen anhand bestimmter Prüfungsmerkmale bezeichnen und ist zu begründen. Einer vorherigen Anhörung der betroffenen Personen bedarf es nicht. Die Entscheidung, mit der die Maßnahme angeordnet wird, ist nicht anfechtbar.

 

(3) Für die Durchführung der Maßnahme gelten § 81f Abs. 2 und § 81g Abs. 2 entsprechend. Soweit die Aufzeichnungen über die durch die Maßnahme festgestellten DNA-Identifizierungsmuster zur Aufklärung des Verbrechens nicht mehr erforderlich sind, sind sie unverzüglich zu löschen. Die Löschung ist zu dokumentieren.

 

(4) Die betroffenen Personen sind schriftlich darüber zu belehren, dass die Maßnahme nur mit ihrer Einwilligung durchgeführt werden darf. Hierbei sind sie auch darauf hinzuweisen, dass

 

1. die entnommenen Körperzellen ausschließlich für die Untersuchung nach Absatz 1 verwendet und unverzüglich vernichtet werden, sobald sie hierfür nicht mehr erforderlich sind, und

 

2. die festgestellten DNA-Identifizierungsmuster nicht zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren beim Bundeskriminalamt gespeichert werden.

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 20.12.2012)


Bundesgerichtshof zum Schadensersatzanspruch wegen leichtfertiger Geldwäsche im Zusammenhang mit betrügerischen Internetgeschäften

 

 

Der Bundesgerichtshof hat heute eine Entscheidung zu der Frage getroffen, ob auch derjenige, der sein Bankkonto leichtfertig für die Abwicklung betrügerischer Internetgeschäfte zur Verfügung stellt, den durch den Betrug Geschädigten zum Schadensersatz verpflichtet ist.

 

Der Kläger bestellte über das Internet eine Digitalkamera, die vom Verkäufer nicht geliefert wurde. Den Kaufpreis von 295,90 € hatte er, wie vom Verkäufer gefordert, vorab auf das Konto der Beklagten überwiesen. Diese hatte über das Internet die Onlinezugangsberechtigung für ihr Girokonto gegen ein Entgelt von 400 € monatlich einer ihr unbekannten Person offenbart und dieser die dauerhafte Nutzung des Kontos eingeräumt.

 

Bei dem Verkäufer handelte es sich um einen - wie sich herausstellte - fiktiven Online-Shop, der über das Konto der Beklagten betrügerische Geschäfte abwickelte. Insgesamt liefen innerhalb kurzer Zeit 51.000 € über das Konto der Beklagten. Die Beklagte wurde wegen leichtfertiger Geldwäsche gemäß § 261 Abs. 1 und 5 StGB* verurteilt (Vortat: gewerbsmäßiger Betrug gemäß § 263 StGB**). Die auf Rückzahlung des auf das Konto der Beklagten überwiesenen Kaufpreises nebst Zinsen und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt.

 

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass dem Kläger ein Schadensersatzanspruch wegen der von der Beklagten begangenen leichtfertigen Geldwäsche zusteht (§ 823 Abs. 2 BGB*** i.V.m. § 261 Abs. 1, 2 und 5 StGB). Denn der Straftatbestand der Geldwäsche bezweckt auch den Schutz des Vermögens der durch die Vortat – hier: den gewerbsmäßigen Betrug – Geschädigten und ist daher ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, so dass die Beklagte dem Kläger den ihm entstandenen Schaden zu ersetzen hat.

 

Urteil vom 19. Dezember 2012 - VIII ZR 302/11

 

AG Hoyerswerda - Urteil vom 30. Dezember 2010 - 1 C 322/10

 

LG Bautzen - Urteil vom 14. Oktober 2011- 1 S 23/11

 

Karlsruhe, den 19. Dezember 2012

 

*§ 261 StGB: Geldwäsche; Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte

 

(1) Wer einen Gegenstand, der aus einer in Satz 2 genannten rechtswidrigen Tat herrührt, verbirgt, dessen Herkunft verschleiert oder die Ermittlung der Herkunft, das Auffinden, den Verfall, die Einziehung oder die Sicherstellung eines solchen Gegenstandes vereitelt oder gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Rechtswidrige Taten im Sinne des Satzes 1 sind

 

1.Verbrechen,

 

 

4.Vergehen

 

a) nach den §§ … 263 bis 264 ….,

 

 

die gewerbsmäßig oder von einem Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, begangen worden sind, …

 

(2) Ebenso wird bestraft, wer einen in Absatz 1 bezeichneten Gegenstand

 

1. sich oder einem Dritten verschafft oder

 

2 verwahrt oder für sich oder einen Dritten verwendet, wenn er die Herkunft des Gegenstandes zu dem Zeitpunkt gekannt hat, zu dem er ihn erlangt hat.

 

 

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 leichtfertig nicht erkennt, dass der Gegenstand aus einer in Absatz 1 genannten rechtswidrigen Tat herrührt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

 

**§ 263 StGB: Betrug

 

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

 

***§ 823 BGB: Schadensersatzpflicht

 

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

 

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. …

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 20.12.2012)


Keine Strafbarkeit von Kassenärzten wegen Bestechlichkeit

 

 

Kassenärzte, die von einem Pharma-Unternehmen Vorteile als Gegenleistung für die Verordnung von Arzneimitteln dieses Unternehmens entgegennehmen, machen sich nicht wegen Bestechlichkeit nach § 332 StGB strafbar. Auch eine Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 StGB scheidet aus. Entsprechend sind auch Mitarbeiter von Pharmaunternehmen, die Ärzten solche Vorteile zuwenden, nicht wegen Bestechung (§ 334 StGB) oder Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 2 StGB) strafbar. Der niedergelassene, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassene Arzt handelt nämlich bei der Wahrnehmung der ihm gemäß § 73 Abs. 2 SGB V übertragenen Aufgaben, insbesondere bei der Verordnung von Arzneimitteln, weder als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB noch als Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen im Sinne des § 299 StGB.

 

Das hat der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs entschieden. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Ausgangsverfahren war eine Pharmareferentin, die Kassenärzten Schecks über einen Gesamtbetrag von etwa 18.000 € übergeben hatte, wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Der Übergabe des Schecks hatte ein als "Verordnungsmanagement" bezeichnetes Prämiensystem des Pharmaunternehmens zugrunde gelegen. Dieses sah vor, dass Ärzte als Prämie für die Verordnung von Arzneimitteln des betreffenden Unternehmens 5 % des Herstellerabgabepreises erhalten sollten.

 

Die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen beruht im Wesentlichen auf folgenden Erwägungen:

 

Die gesetzlichen Krankenkassen sind zwar Stellen öffentlicher Verwaltung im Sinne der Amtsträgerdefinition in § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB. Auch erfüllt das System der gesetzlichen Krankenversicherung als Ganzes eine aus dem Sozialstaatsgrundsatz folgende, in hohem Maße der Allgemeinheit dienende Aufgabe. Die Kassenärzte sind aber nicht dazu bestellt, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Der freiberuflich tätige Kassenarzt ist weder Angestellter noch Funktionsträger einer öffentlichen Behörde. Er wird auf Grund der individuellen, freien Auswahl des gesetzlich Versicherten tätig. Sein Verhältnis zu dem Versicherten, der ihn regelmäßig individuell auswählt, wird – ungeachtet der mit der Zulassung verbundenen Verpflichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung – wesentlich von persönlichem Vertrauen und einer Gestaltungsfreiheit gekennzeichnet, die der Bestimmung durch die gesetzlichen Krankenkassen weitgehend entzogen ist. Innerhalb des Behandlungsverhältnisses konkretisiert die Verordnung eines Arzneimittels zwar den gesetzlichen Leistungsanspruch des Versicherten auf Sachleistungen; sie ist aber untrennbarer Bestandteil der ärztlichen Behandlung und vollzieht sich innerhalb des personal geprägten Vertrauensverhältnisses zwischen dem Versicherten und seinem Arzt, der die Verordnung nach seiner aus § 1 BÄO folgenden Verpflichtung auszurichten hat. Die Einbindung des Vertragsarztes in das System öffentlich gelenkter Daseinsfürsorge verleiht der vertragsärztlichen Tätigkeit danach nicht den Charakter hoheitlich gesteuerter Verwaltungsausübung. Dies entspricht auch der zivilrechtlichen Betrachtungsweise.

 

Dem Kassenarzt fehlt es bei der Verordnung eines Arzneimittels auch an der Beauftragteneigenschaft im Sinne von § 299 Abs. 1 StGB. Gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB V wirken die Leistungserbringer, also auch die Kassenärzte, mit den gesetzlichen Krankenkassen zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung zusammen, begegnen sich nach der darin zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung also auf einer Ebene der Gleichordnung. Von wenigen Ausnahmen abgesehen sind unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen den Kassenärzten und den Krankenkassen gesetzlich ausgeschlossen. Dem Begriff des Beauftragten ist aber schon vom Wortsinn her die Übernahme einer Aufgabe im Interesse des Auftraggebers immanent, der sich den Beauftragten frei auswählt und ihn bei der Ausübung seiner Tätigkeit anleitet. Es kommt hinzu, dass die Krankenkasse den vom Versicherten frei gewählten Arzt akzeptieren muss. Dieser wird vom Versicherten als "sein" Arzt wahrgenommen, den er beauftragt hat und dem er sein Vertrauen schenkt. Eine sachgerechte Bewertung der ärztlichen Verordnung vor dem Hintergrund des sozialrechtlichen Regelungsgefüges führt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Kassenarzt kein Beauftragter der Krankenkassen ist. Dass die Verordnung von Medikamenten (und Hilfsmitteln) dabei auch Relevanz für die Krankenkasse hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

 

Der Große Senat für Strafsachen hatte nur zu entscheiden, ob korruptives Verhalten von Kassenärzten und Mitarbeitern von Pharmaunternehmen nach dem geltenden Strafrecht strafbar ist. Das war zu verneinen. Darüber zu befinden, ob die Korruption im Gesundheitswesen strafwürdig ist und durch Schaffung entsprechender Straftatbestände eine effektive strafrechtliche Ahndung ermöglicht werden soll, ist Aufgabe des Gesetzgebers.

 

Beschluss vom 29. März 2012 – GSSt 2/11

 

5 StR 115/11 – Beschluss vom 20. Juli 2011

 

Karlsruhe, den 22. Juni 2012

 

§ 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StGB lautet:

 

(1) Im Sinne des Gesetzes ist

 

1. …

 

2. Amtsträger:

 

wer nach deutschem Recht

 

– b) …

 

c) sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen,

 

§ 299 Abs. 1 StGB lautet:

 

(1) Wer als Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes im geschäftlichen Verkehr einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, dass er einen anderen bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 22.06.2012)

 


Reden ist Silber, Schweigen ist Gold

 

Diese Weisheit kennt der Volksmund und sie sollte insbesondere im Strafrecht beherzigt werden. Unbedachte Äußerungen, die durch Polizisten protokolliert werden, sind später nur schwer wieder aus der Welt zu schaffen.

 

Was aber, wenn man im Selbstgespräch Sachen äußert, die nicht für die Öffentlichkeit gedacht sind? Der Bundesgerichtshof hatte einen derartigen Fall zu entscheiden. Es wurde gegen jemanden ermittelt und dessen Fahrzeug mit richterlicher Genehmigung mit technischen Mitteln abgehört. Im Rahmen dieser Abhörmaßnahme wurden bruchstückhafte Selbstgespräche aufgezeichnet, die später u. a. Grundlage einer Verurteilung waren.

 

Zu Unrecht, wie der BGH festgestellt hat. In der Pressemitteilung des BGH heißt es dazu:

 

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Selbstgespräche im konkreten Fall nicht hätten zur Überführung der Angeklagten im Strafprozess hätten verwendet werden dürfen. Insoweit bestand ein Beweisverwertungsverbot, das sich unmittelbar aus der Verfassung ergab. Denn mit der heimlichen Aufzeichnung und Verwertung des nichtöffentlich geführten Selbstgesprächs war ein Eingriff in den nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit verbunden.

 

Maßgeblich für die Einordnung, ob ein Selbstgespräch in den absolut geschützten Kernbereich fällt, sind nach der Pressemitteilung folgende Kriterien:

 

  • die Eindimensionalität der Selbstkommunikation, also die Äußerung ohne kommunikativen Bezug;
  • die Nichtöffentlichkeit der Äußerungssituation und das Maß des berechtigten Vertrauens der Person darauf, an dem jeweiligen Ort vor staatlicher Überwachung geschützt zu sein;
  • die mögliche Unbewusstheit der verbalen Äußerung;
  • die Identität der Äußerung mit den inneren Gedanken ,
  • die Äußerungsform als bruchstückhafter, auslegungsfähiger oder –bedürftiger Ausschnitt eines "Gedankenflusses".

 

Das angegriffene Urteil wurde aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen.

 

BGH, Urteil vom 22. Dezember 2011 – 2 StR 509/10