Motorradfahren im Pulk kann zu Haftungsausschluss führen.


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Zur Rückabwicklung eines Kaufvertrages nach Untergang des Fahrzeugs

 

 

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob der Verkäufer nach einem wirksamen Rücktritt des Käufers die Rückzahlung des Kaufpreises davon abhängig machen kann, dass ihm der Käufer einen noch ungeklärten Anspruch gegen seine Kaskoversicherung abtritt.

 

Der Kläger hatte von der Beklagten einen Neuwagen erworben. Wegen verschiedener Mängel, die die Beklagte nicht vollständig beseitigte, trat er am 22. August 2011 vom Vertrag zurück und verlangte von der Beklagten, ihm Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs den Kaufpreis (abzüglich einer Nutzungsentschädigung) zurückzuzahlen. Die Beklagte weigerte sich. In der Nacht des 29. August 2012 brannte das Fahrzeug, das sich noch beim Kläger befand, aus unbekannter Ursache weitgehend aus. Der Kläger hatte für das Fahrzeug eine Kaskoversicherung abgeschlossen, aus der er allerdings bisher keine Leistungen erhalten hat. Er hat die Abtretung seiner Ansprüche aus der Versicherung an die Beklagte erklärt. Nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen ist eine Abtretung ohne ausdrückliche Genehmigung durch den Versicherer jedoch nicht möglich. Der Versicherer hat diese Genehmigung ausdrücklich verweigert.

 

Die Vorinstanzen haben der auf Zahlung gerichteten Klage nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche aus der Kaskoversicherung stattgegeben. Die vom Senat zugelassene Revision des Klägers, mit der er den Wegfall des Zug-um-Zug-Vorbehalts begehrt, hatte Erfolg.

 

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Beklagte den Kaufpreis aufgrund des wirksamen Rücktritts zurückzuzahlen hat. Ein Zurückbehaltungsrecht nach §§ 348, 320 BGB steht ihr nicht zu. Sie kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Versicherungsanspruch ihr bisher nicht wirksam abgetreten worden ist. Denn der Kläger hat derzeit nichts erlangt, was er herausgeben könnte.

 

Erlangt im Sinne des hier anwendbaren § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB* ist etwas erst dann, wenn es sich im Vermögen des Bereicherten konkret manifestiert und dadurch eine Verbesserung seiner Vermögenslage eintritt. Dies ist hier nicht der Fall, weil der Kläger weder eine Zahlung von der Versicherung erhalten noch diese ihre Eintrittspflicht anerkannt hat. Ein etwaiger, noch im Prüfungsstadium befindlicher und wegen der verweigerten Genehmigung der Kaskoversicherung derzeit nicht abtretbarer Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Versicherungsleistung stellt keine herausgabefähige Bereicherung im Sinne des § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB dar. Auf etwaige Ansprüche, die der Beklagten gegen den Kläger erst in Zukunft dadurch erwachsen könnten, dass die Versicherung des Klägers den Anspruch auf die Versicherungsleistung feststellt oder den festgestellten Betrag auszahlt, kann ein Zurückbehaltungsrecht von vornherein nicht gestützt werden.

 

Die Frage, ob § 285 BGB** im Rückgewährschuldverhältnis nach §§ 346 ff. BGB anwendbar ist, hat der Senat offen gelassen. Denn der Kläger hat bislang auch im Sinne dieser Vorschrift keinen herausgabefähigen Ersatz oder Ersatzanspruch erlangt.

 

* § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB:

 

Eine verbleibende Bereicherung ist herauszugeben.

 

** § 285 Abs. 1 BGB

 

Erlangt der Schuldner infolge des Umstands, aufgrund dessen er die Leistung nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu erbringen braucht, für den geschuldeten Gegenstand einen Ersatz oder einen Ersatzanspruch, so kann der Gläubiger die Herausgabe des als Ersatz Empfangenen oder Abtretung des Ersatzanspruch verlangen.

 

Urteil vom 25. März 2015 –VIII ZR 38/14

 

LG Mannheim - Urteil vom 27. März 2013 – 8 O 246/11

 

OLG Karlsruhe - Beschluss 17. Dezember 2013 – 19 U 83/13

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 25. März 2015)


Der vorzeitige Abbruch einer eBay-Auktion kann teuer werden:

 

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage beschäftigt, unter welchen Umständen ein Anbieter eine noch länger als 12 Stunden laufende eBay-Auktion vorzeitig beenden und die angebotene Sache anderweitig veräußern kann, ohne sich gegenüber dem bis dahin Höchstbietenden schadensersatzpflichtig zu machen.

 

Der Beklagte bot am 17. Mai 2012 auf der Internet-Plattform eBay für die Dauer von zehn Tagen ein Stromaggregat zu einem Startpreis von 1 € an. Am 19. Mai 2012 brach er die Auktion vorzeitig ab. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt zu dem Startgebot von 1 € Höchstbietender und begehrt - nachdem der Beklagte das Stromaggregat anderweitig veräußert hat - nunmehr Schadensersatz in Höhe des Wertes des Stromaggregats (8.500 €).

 

Der Beklagte meint, er habe aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay die Auktion ohne weiteres abbrechen dürfen, da sie noch länger als 12 Stunden gelaufen wäre.

 

Die Versteigerung erfolgte auf der Grundlage der zu dieser Zeit maßgeblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay. Dort hieß es auszugsweise:

"§ 9 Nr. 11: Anbieter, die ein verbindliches Angebot auf der eBay-Website einstellen, dürfen nur dann Gebote streichen und das Angebot zurückziehen, wenn sie gesetzlich dazu berechtigt sind. Weitere Informationen. […]

§ 10 Nr. 1 Satz 5: Bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen Anbieter und Höchstbietendem ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, es sei denn, der Anbieter war gesetzlich dazu berechtigt, das Angebot zurückzunehmen und die vorliegende Geboten zu streichen."

 

Der Link "Weitere Informationen" in § 9 Nr. 11 führte u.a. zu folgenden Hinweisen:

"Wie beende ich mein Angebot vorzeitig?

Wenn Sie einen Artikel auf der eBay-Website einstellen, geben Sie grundsätzlich ein verbindliches Angebot zum Abschluss eines Vertrags über diesen Artikel ab und sind für die Angebotsdauer dieses Angebots gebunden. Es kann jedoch vorkommen, dass Sie ein Angebot vorzeitig beenden müssen, zum Beispiel, wenn Sie feststellen, dass Sie sich beim Einstellen des Artikels geirrt haben oder der zu verkaufende Artikel während der Angebotsdauer ohne Ihr Verschulden beschädigt wird oder verloren geht.

Vor dem Beenden eines Angebots gilt:

• Vergewissern Sie sich, dass Ihr Grund für das Beenden des Angebots gültig ist. […]"

Im Weiteren hieß es unter anderem:

"Angebot läuft noch länger als 12 Stunden

Wenn das Angebot noch 12 Stunden oder länger läuft, können Sie es ohne Einschränkungen vorzeitig beenden. Wenn zum Zeitpunkt der Beendung des Angebots Gebote für den Artikel vorliegen, werden Sie gefragt, ob Sie die Gebote streichen oder den Artikel an den Höchstbietenden verkaufen möchten. […]"

 

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 8.500 € verurteilt. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hatte keinen Erfolg.

 

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 280 Abs. 1, 3, § 283 Satz 1 BGB in Höhe von 8.500 € zusteht. Zwischen dem Kläger als Höchstbietendem und dem Beklagten ist ein Kaufvertrag über das Stromaggregat zum Preis von 1 € zustande gekommen.

 

Das Verkaufsangebot war aus Sicht des an der Auktion teilnehmenden Bieters dahin auszulegen, dass es nur unter dem Vorbehalt einer gemäß § 9 Nr. 11, § 10 Nr. 1 Satz 5 der eBay-AGB berechtigten Angebotsrücknahme stand. Wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, lag keiner der dort benannten Gründe zur Rücknahme des Angebots vor. Deshalb war das Angebot entgegen der Auffassung der Revision nicht unverbindlich. Denn aus den an § 9 Nr. 11 der eBay-AGB anknüpfenden "Weiteren Informationen" lässt sich nicht entnehmen, dass ein Angebot ohne einen dazu berechtigenden Grund zurückgenommen werden darf. Das gilt auch dann, wenn die Auktion – wie hier – noch 12 Stunden oder länger läuft. Die "Weiteren Informationen" sind lediglich als Ergänzung von § 9 Nr. 11 hinsichtlich der praktischen Durchführung der Angebotsrücknahme zu verstehen. Nach ihrem gesamten Inhalt sollen sie dagegen nicht die – dem Geschäftsmodell einer eBay-Auktion zugrunde liegende – Bindung an das Angebot für die Dauer der Auktion weiter einschränken als dies bereits in § 9 Nr. 11 und § 10 Nr. 1 Satz 5 der eBay-AGB geschieht.

 

* § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (…)

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

§ 283 Schadensersatz statt der Leistung bei Ausschluss der Leistungspflicht

Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen. (…)

 

Urteil vom 10. Dezember 2014 – VIII ZR 90/14

LG Nürnberg-Fürth - Urteil vom 17. Januar 2013 - 7 O 6876/12

OLG Nürnberg - Urteil vom 26. Februar 2014 - 12 U 336/13

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 10. Dezember 2014)


Keine Pflicht zur Zahlung unangemessen hoher Abschleppkosten

 

 

Der u.a. für Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus Besitz und Eigentum an Grundstücken zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass Falschparker dem Besitzer der Parkfläche keine unangemessen hohen Abschleppkosten erstatten müssen. Dem liegt der folgende Sachverhalt zu Grunde:

 

Der Pkw des Klägers wurde unberechtigt auf dem als solchen gekennzeichneten Kundenparkplatz eines Fitnessstudios in München abgestellt. Dessen Betreiberin beauftragte die Beklagte aufgrund eines mit dieser abgeschlossenen Rahmenvertrags mit dem Entfernen des Fahrzeugs. Hierfür war ein Pauschalbetrag von 250 € netto vereinbart. Die aus dem unberechtigten Parken entstandenen Ansprüche gegen den Kläger trat die Betreiberin des Studios an die Beklagte ab.

 

Die Beklagte schleppte das Fahrzeug ab. Später teilte sie der Ehefrau des Klägers telefonisch mit, der Standort des Pkw werde bekannt gegeben, sobald ihr der Fahrzeugführer benannt und der durch das Abschleppen entstandene Schaden von 250 € beglichen werde. Der Kläger ließ die Beklagte anwaltlich auffordern, ihm den Fahrzeugstandort Zug um Zug gegen Zahlung von 100 € mitzuteilen. Dem kam die Beklagte nicht nach. Daraufhin hinterlegte der Kläger 120 € bei dem Amtsgericht. Die Beklagte verweigerte weiterhin die Bekanntgabe des Standorts des Fahrzeugs und bezifferte den von dem Kläger zu zahlenden Betrag mit 297,50 €. Sodann hinterlegte der Kläger weitere 177,50 €. Die Beklagte teilte ihm danach den Standort des Fahrzeugs mit.

 

Der Kläger hält den von der Beklagten geforderten Betrag für zu hoch. Das Amtsgericht hat im Ergebnis entschieden, dass der Kläger von den Abschleppkosten nur 100 € zu tragen hat und dass die Beklagte ihn von seinen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 703,80 € freistellen muss. Das Landgericht hat die vom Kläger zu tragenden Abschleppkosten im Ergebnis auf 175 € abgeändert und die Klage im Übrigen abgewiesen.

 

Auf die Revisionen beider Parteien hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass der Kläger von der Beklagten nicht verlangen kann, von seinen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten freigestellt zu werden. Hinsichtlich der konkreten Höhe der von dem Kläger zu tragenden Abschleppkosten hat er die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

 

Der Senat bestätigt damit seine bisherige Rechtsprechung. Das unberechtigte Abstellen von Fahrzeugen auf einem Kundenparkplatz stellt eine Besitzstörung bzw. eine teilweise Besitzentziehung dar. Diese darf der Besitzer der Parkflächen im Wege der Selbsthilfe beenden, indem er das Fahrzeug abschleppen lässt. Hiermit kann er schon im Vorfeld eines Parkverstoßes ein darauf spezialisiertes Unternehmen beauftragen. Die durch den konkreten Abschleppvorgang entstandenen Kosten muss der Falschparker erstatten, soweit sie in einem adäquaten Zusammenhang mit dem Parkverstoß stehen. Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören nicht nur die reinen Abschleppkosten, sondern auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs entstanden sind, etwa durch die Überprüfung des unberechtigt abgestellten Fahrzeugs, um den Halter ausfindig zu machen, das Anfordern eines geeigneten Abschleppfahrzeugs, das Prüfen des Fahrzeugs auf Sicherung gegen unbefugtes Benutzen, dessen Besichtigung von Inneren und Außen und die Protokollierung etwa vorhandener Schäden. Nicht zu erstatten sind hingegen die Kosten für die Bearbeitung und außergerichtliche Abwicklung des Schadensersatzanspruchs des Besitzers, weil sie nicht unmittelbar der Beseitigung der Störung dienen. Auch Kosten für die Überwachung der Parkflächen im Hinblick auf unberechtigtes Parken muss der Falschparker nicht ersetzen; ihnen fehlt der Bezug zu dem konkreten Parkverstoß, denn sie entstehen unabhängig davon.

 

Die Ersatzpflicht des Falschparkers wird durch das Wirtschaftlichkeitsgebot begrenzt. Er hat nur diejenigen Aufwendungen zu erstatten, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Besitzers der Parkflächen machen würde. Maßgeblich ist, wie hoch die ortsüblichen Kosten für das Abschleppen und die unmittelbar mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs verbundenen Dienstleistungen sind. Regionale Unterschiede sind zu berücksichtigen. Dies wird das Landgericht durch Preisvergleich, notfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu klären haben.

 

Ein Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten steht dem Kläger nicht zu. Denn im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts hatte der Kläger den geschuldeten Schadensersatzbetrag weder gezahlt noch hinterlegt. Solange dies nicht geschehen war, stand der Beklagten an dem Fahrzeug ein Zurückbehaltungsrecht zu, so dass sie sich nicht im Verzug mit der Fahrzeugrückgabe befand.

 

Urteil vom 4. Juli 2014 – V ZR 229/13

 

AG München – Urteil vom 23. August 2011 – 415 C 29187/10

 

LG München I – Urteil vom 14. August 2013 – 15 S 19287/11

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 4. Juli 2014)


Zum Ausschluss des Rücktritts bei einem unerheblichen Sachmangel

 

 

 

Der Bundesgerichtshof hat sich in einer Entscheidung mit der Frage beschäftigt, unter welchen Umständen ein Sachmangel "unerheblich" im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB* ist, so dass der Käufer vom Kaufvertrag nicht zurücktreten kann.

 

 

Der Kläger begehrt von dem beklagten Autohaus die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen zum Preis von 29.953 € erworbenen Neuwagen. Nach der Übergabe des Fahrzeugs machte er verschiedene Mängel geltend, unter anderem Fehlfunktionen des akustischen Signals und das völlige Fehlen des optischen Signals der Einparkhilfe. Wegen der Mängel suchte er wiederholt das Autohaus der Beklagten und eine andere Vertragswerkstatt auf und setzte schließlich – erfolglos – in Bezug auf einige Mängel, darunter die Mängel an der Einparkhilfe, eine letzte Frist zur Mängelbeseitigung. Die Beklagte teilte dem Kläger hierauf schriftlich mit, die Einparkhilfe funktioniere nach einem vorangegangenen Nachbesserungsversuch einwandfrei und entspreche dem Stand der Technik. Der Kläger erklärte daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag. Mit seiner Klage begehrt er die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung, insgesamt 27.257,23 €.

 

Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat unter Zugrundelegung des Sachverständigengutachtens festgestellt, das Fahrzeug sei insoweit mangelhaft, als die Sensoren der Einparkhilfe in falscher Höhe und mit falschem Abstand zueinander eingebaut seien, was dazu führe, dass die Einparkhilfe immer wieder Warnsignale ohne erkennbares Hindernis abgebe. Der Mangelbeseitigungsaufwand betrage gemäß dem Gutachten des Sachverständigen 1.958,85 €. Der Rücktritt sei jedoch gemäß §§ 440, 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen, da die Mangelbeseitigungskosten zehn Prozent des Kaufpreises nicht überstiegen und die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung deshalb unerheblich, der Mangel also geringfügig sei. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

 

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass bei einem behebbaren Sachmangel die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB im Rahmen der auf der Grundlage der Einzelfallumstände vorzunehmenden Interessenabwägung in der Regel bereits dann erreicht ist, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises überschreitet. Von einem geringfügigen Mangel, der zwar den Rücktritt, nicht aber die übrigen Gewährleistungsrechte ausschließt, kann hingegen in der Regel noch gesprochen werden, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand die vorgenannte flexible Schwelle von fünf Prozent des Kaufpreises nicht übersteigt. Eine generelle Erhöhung der Erheblichkeitsschwelle über diesen Prozentsatz hinaus ist mit dem durch den Gesetzeswortlaut und durch die Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, dem Sinn und Zweck des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB sowie der Systematik der Rechte des Käufers bei Sachmängeln nicht zu vereinbaren. Die Erheblichkeitsschwelle von (nur) fünf Prozent des Kaufpreises steht im Einklang mit den Vorgaben der EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie.**

 

Da im vorliegenden Fall bereits für die Beseitigung der vom Berufungsgericht festgestellten Fehlfunktion der Einparkhilfe ein die oben genannte Erheblichkeitsschwelle übersteigender Aufwand in Höhe von 6,5 Prozent des Kaufpreises erforderlich ist und das Berufungsgericht keine besonderen Umstände festgestellt hat, die es rechtfertigten, den Mangel gleichwohl ausnahmsweise als unerheblich anzusehen, ist der vom Kläger erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag nicht gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und der Rechtsstreit zur Feststellung der Höhe der vom Käufer aufgrund des Rücktritts geschuldeten Nutzungsentschädigung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

*§ 323 Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung

 

(5) (…) Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

 

**Art. 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. EG Nr. L 171 S. 12 - Verbrauchsgüterkaufrichtlinie)

 

(1) Der Verkäufer haftet dem Verbraucher für jede Vertragswidrigkeit, die zum Zeitpunkt der Lieferung des Verbrauchsgutes besteht.

 

(2) Bei Vertragswidrigkeit hat der Verbraucher entweder Anspruch auf die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung nach Maßgabe des Absatzes 3 oder auf angemessene Minderung des Kaufpreises oder auf Vertragsauflösung in Bezug auf das betreffende Verbrauchsgut nach Maßgabe der Absätze 5 und 6.

 

(…)

 

(5) Der Verbraucher kann eine angemessene Minderung des Kaufpreises oder eine Vertragsauflösung verlangen,

 

(…)

 

— wenn der Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist Abhilfe geschaffen hat oder

 

(…)

 

(6) Bei einer geringfügigen Vertragswidrigkeit hat der Verbraucher keinen Anspruch auf Vertragsauflösung.

 

 

 

Urteil vom 28. Mai 2014 – VIII ZR 94/13

 

 

LG Stuttgart - Urteil vom 16. August 2012 - 10 O 223/10

 

 

OLG Stuttgart - Urteil vom 20. März 2013 - 4 U 149/12

 

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 28. Mai 2014)


Zur Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten zur Aufklärung der Verantwortlichkeit für Mängel einer Kaufsache

 

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten befasst, die zur Aufklärung der Verantwortlichkeit für Mängel einer Kaufsache aufgewandt worden sind.

 

Die Kläger kauften bei der Beklagten, die unter anderem mit Bodenbelägen handelt, Massivholzfertigparkett, das sie anschließend von einem Schreiner in ihrem Wohnhaus verlegen ließen. Der Schreiner ging nach einer von der Beklagten mitgelieferten Verlegeanleitung vor, die von der Streithelferin der Beklagten als der Herstellerin des Parketts stammte. Nach der Verlegung traten am Parkett Mängel (u.a. Verwölbungen) auf. Die Beklagte sah die Ursache nach Rücksprache mit der Streithelferin in einer zu geringen Raumfeuchtigkeit und wies die Mängelrüge der Kläger zurück. Die Kläger holten daraufhin ein Privatgutachten ein. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass die Veränderungen des Parketts auf eine in diesem Fall ungeeignete, in der Verlegeanleitung aber als zulässig und möglich empfohlenen Art der Verlegung zurückzuführen seien. Hierauf gestützt begehrten die Kläger eine Minderung des Kaufpreises um 30 Prozent sowie Erstattung der Privatgutachterkosten.

 

Das Amtsgericht hat die Mängelrüge für berechtigt erachtet, der Klage aber nur hinsichtlich der geltend gemachten Minderung stattgegeben. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht ihnen auch den Ersatz der Sachverständigenkosten zugesprochen.

 

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Streithelferin der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt, hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass den Klägern der vom Berufungsgericht bejahte verschuldensunabhängige Anspruch aus § 439 Abs. 2 BGB* auf Erstattung der Kosten des Privatgutachtens zusteht. Denn schon für § 476a BGB a.F., der dem § 439 Abs. 2 BGB als Vorbild gedient hat, hat der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit mehrfach eine Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten zur Aufklärung der Verantwortlichkeit für Mängel bejaht. Auf dieses Normverständnis hat der Gesetzgeber für § 439 Abs. 2 BGB zurückgegriffen, so dass für die heutige Rechtslage nichts anderes gelten kann. Da die Aufwendungen ursprünglich "zum Zwecke der Nacherfüllung" getätigt worden sind, ist es im Übrigen auch unschädlich ist, dass die Kläger nach Erstattung des Gutachtens schließlich erfolgreich zur Minderung übergangen sind. Denn ob derartige Aufwendungen anschließend tatsächlich zu einer (erfolgreichen) Nacherfüllung führen, ist für den zuvor bereits wirksam entstandenen Ersatzanspruch ohne Bedeutung, wenn der Mangel und die dafür bestehende Verantwortlichkeit des Verkäufers feststehen.

 

* § 439 BGB (…) (2) Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen. (…)

 

Urteil vom 30. April 2014 – VIII ZR 275/13

AG Andernach - Urteil vom 1. Februar 2013 - Az. 62 C 947/11

LG Koblenz - Urteil vom 20. August 2013 - Az. 6 S 58/13

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 30.04.2014)


Bundesgerichtshof entscheidet über Vererblichkeit des Anspruchs auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts

 

 

 

Der Kläger ist Erbe eines bekannten, inzwischen verstorbenen Entertainers. Dieser sah sich durch in Zeitschriften der Beklagten erschienene Artikel, die unter anderem seine Trauer um seine verstorbene Tochter sowie seinen Gesundheitszustand zum Gegenstand hatten, in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt und nahm die Beklagte deshalb auf Zahlung einer Geldentschädigung in Anspruch. Seine Klage ging bei Gericht per Fax einen Tag vor seinem Ableben ein, wurde der Beklagten aber erst einige Wochen später zugestellt.

 

 

Das Landgericht hat die – von dem Erben fortgeführte - Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Ob die angegriffenen Veröffentlichungen überhaupt einen Geldentschädigungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG rechtfertigen können, hat das Berufungsgericht dabei offengelassen. Es hat die Auffassung vertreten, ein solcher Anspruch sei aufgrund seiner höchstpersönlichen Natur jedenfalls nicht vererblich. Der unter anderem für den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision des Klägers zurückgewiesen.

 

 

Entscheidend gegen die Vererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs aufgrund einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung spricht die Funktion des Anspruchs. Bei der Zuerkennung einer Geldentschädigung steht der Genugtuungsgedanke im Vordergrund. Der Gesichtspunkt der Genugtuung verliert regelmäßig an Bedeutung, wenn die Verletzung des Persönlichkeitsrechts zwar noch zu Lebzeiten des Geschädigten erfolgt, dieser aber verstirbt, bevor sein Entschädigungsanspruch erfüllt wird. Danach besteht der Anspruch über den Tod des Verletzten hinaus im Allgemeinen nicht fort. Der Präventionsgedanke rechtfertigt kein anderes Ergebnis, da er die Gewährung einer Geldentschädigung nicht alleine zu tragen vermag.

 

 

 

Ob anderes gilt, wenn der Verletzte erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Geldentschädigungsanspruchs verstirbt, konnte der Senat offenlassen, da der Erblasser vorliegend vor Zustellung der Klage verstorben war. Die in § 167 ZPO angeordnete Rückwirkung greift nicht. Sie beschränkt sich auf Fälle, in denen durch die Zustellung eine laufende Frist gewahrt oder die Verjährung neu beginnen oder gehemmt werden soll. Die bloße Anhängigkeit der Klage führt nicht zur Vererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs.

 

 

 

§ 167 ZPO. Rückwirkung der Zustellung

 

 

 

Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

 

 

 

Urteil vom 29. April 2014 – VI ZR 246/12

 

LG Berlin vom 21. Juni 2011 – 27 O 145/11

 

 

KG Berlin vom 3. Mai 2012 – 10 U 99/11

 

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 30.04.2014)


Begrenzung der Schadensersatzpflicht des Grundstücksverkäufers bei unverhältnismäßig hohen Mängelbeseitigungskosten

 

 

Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass bei unverhältnismäßig hohen Mängelbeseitigungskosten der Schadensersatzanspruch des Käufers eines Grundstücks gegen den Verkäufer auf den Ersatz des mangelbedingten Minderwerts des Grundstücks beschränkt ist.

 

In dem zugrunde liegenden Verfahren kaufte die Klägerin von den beiden Beklagten ein mit einem Mietshaus bebautes Grundstück zu einem Kaufpreis von 260.000 €. Nach dessen Übergabe stellte die Klägerin fest, dass das Gebäude mit echtem Hausschwamm befallen ist. Das Landgericht erließ ein Grundurteil, wonach die Beklagten dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet sind. Im anschließenden Betragsverfahren wurden die Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 89.129,86 € sowie von 45.000 € als Ausgleich des nach der Schwammsanierung verbleibenden merkantilen Minderwerts verurteilt. Ferner wurde festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, auch den weitergehenden durch den Hausschwamm hervorgerufenen Schaden zu ersetzen. Die Urteile sind rechtskräftig.

 

Nach der Durchführung weiterer Sanierungsmaßnahmen verlangt die Klägerin von den Beklagten nunmehr den Ersatz eines weitergehenden Teilschadens in Höhe von 499.728,86 € sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 5.371,66 €. Ihre Klage ist in den Vorinstanzen erfolgreich gewesen. Nach Ansicht des Kammergerichts ist die Ersatzpflicht der Beklagten nicht begrenzt. Bei der Prüfung, ob die Mängelbeseitigungskosten unverhältnismäßig sind, sei nicht von dem Kaufpreis, sondern von dem Verkehrswert des mangelfreien Grundstücks auszugehen. Dieser liege bei (mindestens) 600.000 €, während die Zahlungen, zu denen die Beklagten bislang verurteilt worden sind, sich auf insgesamt 639.230,38 € beliefen und sie damit nur ca. 6% über dem Verkehrswert lägen.

 

Der unter anderem für Verträge über Grundstücke zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Revision der Beklagten das Urteil des Kammergerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Grundsätzlich kann der Käufer von dem Verkäufer Ersatz der zur Beseitigung eines Mangels erforderlichen Kosten verlangen. Sind die zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten jedoch unverhältnismäßig, ist zum Schutz des Verkäufers der Schadensersatzanspruch auf den mangelbedingten Minderwert der Kaufsache beschränkt. Die Annahme der Unverhältnismäßigkeit der Mängelbeseitigung bzw. der dafür erforderlichen Kosten setzt eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls voraus. Bei Grundstückskaufverträgen kann als erster Anhaltspunkt davon ausgegangen werden, dass Mängelbeseitigungskosten unverhältnismäßig sind, wenn sie entweder den Verkehrswert des Grundstücks in mangelfreiem Zustand oder 200% des mangelbedingten Minderwerts übersteigen.

 

Ausgehend von den Feststellungen des Berufungsgerichts, wonach der Zeitwert des Gesamtobjekts im Zustand des Befalls mit echtem Hausschwamm 507.202 € beträgt und jener ohne Hausschwammbefall bei (mindestens) 600.000 € liegt, kommt eine Unverhältnismäßigkeit der Mängelbeseitigungskosten ernsthaft in Betracht. Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts sind allerdings nicht ausreichend. Für die weitere Sachbehandlung hat der Senat außerdem darauf verwiesen, dass bei der Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit der Mängelbeseitigungskosten auf den Beginn der Mängelbeseitigung durch den Käufer abzustellen ist. Stellt sich erst im Nachhinein heraus, dass die Kosten höher als erwartet sind, steht dies einer Ersatzpflicht nur entgegen, wenn ein wirtschaftlich denkender Käufer die Arbeiten auch unter Berücksichtigung der bereits angefallenen Kosten nicht fortführen würde oder fortgeführt hätte. Das Prognoserisiko trägt der Verkäufer. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache – auch zur Behebung weiterer Rechtsfehler bei der Feststellung der grundsätzlich erstattungsfähigen Mängelbeseitigungskosten – zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Urteil vom 4. April 2014 - V ZR 275/12

 

LG Berlin – Urteil vom 15. März 2011 – 5 O 464/09

 

Kammergericht – Urteil vom 22. Oktober 2012 – 20 U 92/11

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 4. April 2014) 


Zum Recht des Verkäufers, die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 3 BGB* zu verweigern

 

 

 

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen der Verkäufer die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung verweigern kann.

 

 

 

Der Kläger schloss im August 2009 einen Leasingvertrag über einen Neuwagen. Er begehrt von dem Autohaus, das das Fahrzeug geliefert hatte, aus abgetretenem Recht der Leasinggeberin unter Berufung auf verschiedene Mängel des Fahrzeugs Nacherfüllung durch Lieferung eines Neufahrzeugs. Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht der Klage mit der Begründung stattgegeben, das Fahrzeug sei jedenfalls insoweit mangelhaft, als die automatisch an- und ausklappenden Außenspiegel nicht zuverlässig funktionierten; die Beklagte könne sich demgegenüber nicht darauf berufen, dass die Lieferung eines Neufahrzeugs für sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sei.

 

 

 

Die von dem unter anderem für das Kaufrecht zuständigen VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zugelassene Revision hatte Erfolg. Das Berufungsgericht hat es der Beklagten zu Unrecht versagt, sich gegenüber dem geltend gemachten Anspruch auf Ersatzlieferung (§ 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB*) auf das Verweigerungsrecht aus § 439 Abs. 3 BGB* zu berufen. Verweigert der Verkäufer die Nacherfüllung zu Unrecht mit der Begründung, dass keine Mängel vorhanden seien, so kann der Käufer - wie hier - den Anspruch auf Nacherfüllung aus § 437 Nr. 1 BGB, § 439 BGB klageweise geltend machen. Dies hat zur Folge, dass dem Verkäufer unter den Voraussetzungen des § 439 Abs. 3 BGB das Recht zusteht, gerade die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung wegen unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern. Diese Einrede des Verkäufers ist nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte zunächst jegliche Mängel des Fahrzeugs bestritten und aus diesem Grund die Nacherfüllung insgesamt verweigert hat. Der Verkäufer ist in der Regel nicht daran gehindert, sich auf die Unverhältnismäßigkeit der Kosten der vom Käufer gewählten Art der Nacherfüllung erst im Rechtsstreit über den Nacherfüllungsanspruch zu berufen.

 

 

 

Da das Berufungsgericht nicht abschließend geprüft hat, ob hinsichtlich des festgestellten Mangels die Voraussetzungen des § 439 Abs. 3 BGB vorliegen, war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

 

 

Urteil vom 16. Oktober 2013 – VIII ZR 273/12

 

 

 

LG Regensburg - Urteil vom 23. November 2011 – 1 O 2271/10

 

OLG Nürnberg - Urteil vom 14. Juni 2012 – 5 U 2605/11

 

 

 

 

 

* § 437 BGB

 

 

 

Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,

 

1. nach § 439 Nacherfüllung verlangen, (…)

 

 

 

** § 439 BGB

 

 

 

(1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. (…)

 

 

 

(3) Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung (…) verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. (…)

 

 

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 16.10.2013)


OLG Schleswig: Radfahrer ohne Fahrradhelm muss sich bei unfallbedingter Kopfverletzung Mitverschulden anrechnen lassen

 

Kollidiert ein Radfahrer im öffentlichen Straßenverkehr mit einem anderen - sich verkehrswidrig verhaltenden - Verkehrsteilnehmer (Kfz; Radfahrer usw.) und erleidet er infolge des unfallbedingten Sturzes Kopfverletzungen, die ein Fahrradhelm verhindert oder gemindert hätte, muss er sich grundsätzlich ein Mitverschulden wegen Nichttragens eines Fahrradhelms anrechnen lassen.

 

Zwar besteht für Fahrradfahrer nach dem Gesetz keine allgemeine Helmpflicht. "Fahrradfahrer sind heutzutage jedoch im täglichen Straßenverkehr einem besonderen Verletzungsrisiko ausgesetzt. Der gegenwärtige Straßenverkehr ist besonders dicht, wobei motorisierte Fahrzeuge dominieren und Radfahrer von Kraftfahrern oftmals nur als störende Hindernisse im frei fließenden Verkehr empfunden werden. Aufgrund der Fallhöhe, der fehlenden Möglichkeit, sich abzustützen (die Hände stützen sich auf den Lenker, der keinen Halt bietet) und ihrer höheren Geschwindigkeit, z.B. gegenüber Fußgängern, sind Radfahrer besonders gefährdet, Kopfverletzungen zu erleiden. Gerade dagegen soll der Helm schützen. Dass der Helm diesen Schutz auch bewirkt, entspricht der einmütigen Einschätzung der Sicherheitsexperten und wird auch nicht ernsthaft angezweifelt. Die Anschaffung eines Schutzhelms ist darüber hinaus wirtschaftlich zumutbar. Daher kann nach dem heutigen Erkenntnisstand grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ein verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens beim Radfahren einen Helm tragen wird, soweit er sich in den öffentlichen Straßenverkehr mit dem dargestellten besonderen Verletzungsrisiko begibt."

 

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urt. v. 05.06.2013, Az: 7 U 11/12

 

Quelle: http://www.schleswig-holstein.de/OLG/DE/Service/Presse/Pressemeldungen/201309fahrradhelm.html


Abkürzung der gesetzlichen Verjährungsfrist im Gebrauchtwagenhandel

 

 

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Wirksamkeit einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Verkauf gebrauchter Kraftfahrzeuge und Anhänger befasst, die für Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln ausnahmslos eine lediglich einjährige Verjährungsfrist vorsah.

 

Die Kläger, Eheleute, kauften von der beklagten GmbH, einem Autohaus, am 14. August 2006 einen gebrauchten Geländewagen, den sie durch die Beklagte vor der Übergabe mit einer Anlage für den Flüssiggasbetrieb ausstatten ließen. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten für den Verkauf gebrauchter Kraftfahrzeuge und Anhänger war folgendes vorgesehen:

 

"VI. Sachmangel

 

Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden.

 

 

VII. Haftung

 

Hat der Verkäufer aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen nach Maßgabe dieser Bedingungen für einen Schaden aufzukommen, der leicht fahrlässig verursacht wurde, so haftet der Verkäufer beschränkt: Die Haftung besteht nur bei Verletzung vertragswesentlicher Pflichten und ist auf den bei Vertragsabschluss vorhersehbaren typischen Schaden begrenzt. Diese Beschränkung gilt nicht bei Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit. …"

 

Das Fahrzeug wurde den Klägern mit der eingebauten Flüssiggasanlage am 12. Oktober 2006 übergeben.

 

In der Folgezeit traten an dieser Anlage Funktionsstörungen auf. Im Zeitraum von Juni 2007 bis August 2008 brachten die Kläger das Fahrzeug mehrfach zu der Beklagten, um Reparaturarbeiten durchführen zu lassen. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2008 setzten die Kläger der Beklagten erfolglos eine Frist zur Erklärung der Reparaturbereitschaft für den "Gastank" und kündigten die Reparatur des Fahrzeugs bei einem anderen Autohaus an.

 

Die Kläger begehren Zahlung der zu erwartenden Mangelbeseitigungskosten in Höhe von 1.313,70 €, Schadensersatz in Höhe von 800 € sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Die Beklagte hat sich unter anderem auf die Verjährung der Gewährleistungsansprüche berufen.

 

Die Klage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat entschieden, dass den Ansprüchen der Kläger die Einrede der Verjährung entgegenstehe.

 

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Kläger hatte Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat seine Rechtsprechung bestätigt, wonach eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, mit der die gesetzliche Verjährungsfrist für die Ansprüche des Käufers wegen eines Mangels der verkauften Sache abgekürzt wird, wegen Verstoßes gegen die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB* insgesamt unwirksam ist, wenn die in diesen Klauselverboten bezeichneten Schadensersatzansprüche nicht von der Abkürzung der Verjährungsfrist ausgenommen werden. Ziffer VI. 1. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ist daher unwirksam, weil es an einer Ausnahmeregelung für die Verjährung der in § 309 Nr. 7 BGB bezeichneten Schadensersatzansprüche fehlt. Ziffer VII.1. Satz 3 nimmt die Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit zwar von der gegenständlichen Haftungsbeschränkung in Ziffer VII., aber nicht von der zeitlichen Haftungsbegrenzung in Ziffer VI. aus.

 

Es gilt daher die gesetzliche Verjährungsfrist. Gemäß den kaufrechtlichen Vorschriften beträgt diese für die geltend gemachten Ansprüche zwei Jahre. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts handelt es sich vorliegend nicht um einen sogenannten gemischten Vertrag, sondern um einen Kaufvertrag. Denn im Mittelpunkt steht die Übertragung von Eigentum und Besitz an dem - umgerüsteten - Fahrzeug auf die Kläger; der Verpflichtung zum Einbau der Flüssiggasanlage kommt im Vergleich dazu kein solches Gewicht zu, dass sie den Vertrag prägen würde.

 

Der Bundesgerichtshof hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses prüfen kann, ob die zweijährige Verjährungsfrist durch Verhandlungen der Parteien über die Mängel der Flüssiggasanlage gehemmt oder ob sie zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits abgelaufen war.

 

*§ 309 BGB: Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit

 

Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam

 

 

7. (Haftungsausschluss bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei grobem Verschulden)

 

a) (Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit)

 

ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen;

 

b) (Grobes Verschulden)

 

ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für sonstige Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen;

 

 

Urteil vom 29. Mai 2013 - VIII ZR 174/12

 

AG Nienburg - Urteil vom 5. April 2011 - 6 C 415/10

 

LG Verden - Urteil vom 18. Mai 2012 - 3 S 28/11

 

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 29. Mai 2013)


Rechte nachrangiger Grundpfandgläubiger

 

 

Der Bundesgerichtshof hat sich heute mit der Schadensersatzpflicht eines vorrangigen Grundpfandgläubigers gegenüber dem Inhaber einer nachrangigen Grundschuld befasst.

 

In dem zu entscheidenden Verfahren war die beklagte Bank Inhaberin von zwei erstrangigen Grundschulden, die auf insgesamt drei Grundstücken desselben Eigentümers lasteten. Die klagende Sparkasse war Inhaberin einer auf den drei Grundstücken lastenden nachrangigen Gesamtgrundschuld. Die zwischen ihr und dem Eigentümer der drei Grundstücke getroffene Sicherungsvereinbarung sieht die Abtretung des Anspruchs auf Rückgewähr aller vor- und gleichrangigen Grundschulden vor. Die Klägerin zeigte der Beklagten die Abtretung an. In der Folgezeit übertrug die Beklagte die nur noch teilweise valutierenden Grundschulden gegen Zahlung von rund 150.000,00 € an eine weitere Bank. Die Erwerberin ließ die Grundschulden neu valutieren. Später bewilligte sie gegen Zahlung von 450.000,00 € deren Löschung im Zusammenhang mit einer Veräußerung der Grundstücke.

 

Die Klägerin ist der Auffassung, sie hätte die Rückgewähr der vorrangigen Grundschulden verlangen können, soweit diese im Zeitpunkt der Übertragung nicht mehr valutierten. Sie hat in den Vorinstanzen erfolglos den Ersatz eines Schadens von 300.000,00 € verlangt, der ihr dadurch entstanden sein soll, dass die Beklagte die Grundschulden ohne ihre Zustimmung an eine andere Bank übertrug.

 

Der unter anderem für Grundpfandrechte zuständige V. Zivilsenat hat der von ihm zugelassenen Revision der Klägerin heute stattgegeben. Er hat entschieden, dass die Nichterfüllung des Rückgewähranspruchs einen Schadensersatzanspruch begründen kann. Das setzt voraus, dass der Sicherungszweck für die vorrangige Grundschuld endgültig weggefallen ist. Hier kommt dies in Betracht, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts davon auszugehen ist, dass die Beklagte ihre Geschäftsbeziehung mit dem Sicherungsgeber beendet hat. Weil das Berufungsgericht unter anderem zu dem entstandenen Schaden noch nähere Feststellungen treffen muss, hat der Senat das Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Urteil vom 19. April 2013 - V ZR 47/12

 

LG Rostock – Urteil vom 20. November 2009 – 9 O 333/08

 

OLG Rostock – Beschluss vom 21. Dezember 2011 – 1 U 8/10

 

Karlsruhe, den 19. April 2013

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 19.04.2013)


Angaben des Autoverkäufers zur Erteilung der Umweltplakette

 

 

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob der Käufer eines mit einer gelben Umweltplakette versehenen Gebrauchtfahrzeugs den privaten Verkäufer auf Gewährleistung in Anspruch nehmen kann, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der Plakette mangels Einstufung des Fahrzeugs als "schadstoffarm" nicht erfüllt sind und es deshalb in Umweltzonen nicht benutzt werden kann.

 

Die Klägerin kaufte von dem Beklagten am 25. Januar 2011 ein gebrauchtes Wohnmobil (Baujahr 1986) zu einem Preis von 7.500 €. Der Beklagte hatte das Fahrzeug selbst gebraucht erworben. Im Kaufvertrag heißt es u.a.: "Für das Fahrzeug besteht keine Garantie."

 

An der Windschutzscheibe des Wohnmobils befand sich eine gelbe Umweltplakette (Feinstaubplakette Schadstoffgruppe 3). Über diese sprachen die Parteien bei den Kaufverhandlungen. Der Beklagte räumt ein, dass die Klägerin wegen der Plakette nachgefragt habe. Er habe gesagt, dass die Plakette bei seinem Erwerb des Fahrzeugs vorhanden gewesen sei und er deshalb nicht wisse, warum das Fahrzeug diese Plakette nicht wieder bekommen solle. Bei einem zweiten Besuch der Klägerin habe er gesagt, er gehe davon aus, dass das Fahrzeug die gelbe Plakette wiederbekomme, weil es bereits diese gelbe Plakette habe.

 

Bei der Ummeldung des Fahrzeugs erhielt die Klägerin keine neue gelbe Plakette. Die Herstellerfirma des Wohnmobils teilte ihr auf Nachfrage mit, dass der Motor des Fahrzeugs keine Euronorm erfülle, dieses deshalb als "nicht schadstoffarm" eingestuft werde, eine Plakette nicht zugeteilt werden könne und auch eine Umrüstung nicht möglich sei. Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 11. März 2011 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte den Beklagten unter Fristsetzung vergeblich zur Rückabwicklung des Kaufvertrages auf. Die Klage der Käuferin auf Rückabwicklung des Kaufvertrages hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.

 

Auch die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Käuferin hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat offen gelassen, ob die fehlende Nutzungsmöglichkeit des Wohnmobils in Umweltzonen – wie vom Berufungsgericht angenommen – einen Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB* darstellt. Denn die Parteien, die beide als Verbraucher gehandelt haben, haben durch die Klausel "Für das Fahrzeug besteht keine Garantie." insoweit die Gewährleistung wirksam ausgeschlossen. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die – von den Parteien als juristischen Laien – gewählte Formulierung bei verständiger Würdigung als ein solcher Gewährleistungsausschluss zu verstehen.

 

Im Übrigen hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Würdigung des Berufungsgerichts gebilligt, dass die Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung dahin, dass das Fahrzeug auch in Umweltzonen benutzte werden kann, nicht getroffen haben. Denn die Angaben des Beklagten zu der an dem Wohnmobil angebrachten Umweltplakette sind nicht mit der Zusage eines Verkäufers vergleichbar, an dem verkauften Gebrauchtfahrzeug vor der Übergabe die Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO durchführen zu lassen ("TÜV neu", vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 1988 – VIII ZR 145/87, BGHZ 103, 275, 280 ff.). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte im Hinblick auf die an dem Fahrzeug angebrachte gelbe Umweltplakette gerade keine Zusagen gemacht, sondern die Klägerin (nur) darauf hingewiesen, dass ihm nicht bekannt sei, wann und unter welchen Umständen das Fahrzeug die Plakette erhalten habe, mit der es bei seinem eigenen Erwerb bereits versehen gewesen sei; ihm seien keine Umstände bekannt, die einer Wiedererteilung der Plakette nach der Ummeldung entgegenstehen könnten. Nach der Rechtsprechung des Senats liegt eine Beschaffenheitsvereinbarung nicht vor, wenn sich der Verkäufer im Rahmen von Verkaufsverhandlungen für eine Aussage – etwa durch den Zusatz "laut Vorbesitzer" oder "laut Kfz-Brief" - ausdrücklich auf eine bestimmte Quelle bezieht und so hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt, dass es sich dabei nicht um eigenes Wissen handelt (Senatsurteil vom 12. März 2008 - VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517 Rn. 13). So liegt der Fall auch hier.

 

*§ 434 BGB: Sachmangel

 

(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,

 

1. wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst

 

2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

 

 

Urteil vom 13. März 2013 - VIII ZR 186/12

 

LG Duisburg - Urteil vom 14. Oktober 2011 – 13 O 29/11

 

OLG Düsseldorf - Urteil vom 6. Juni 2012 – I-3 U 63/11

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 13. März 2013)


Beschaffenheitsvereinbarung beim Oldtimer-Kauf

 

 

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob die in einem Kaufvertrag enthaltene Klausel "positive Begutachtung nach § 21c StVZO (Oldtimer) im Original" eine Beschaffenheitsvereinbarung darstellt, mit der der Verkäufer die Gewähr dafür übernimmt, dass sich das Fahrzeug in einem die Erteilung der TÜV-Bescheinigung rechtfertigenden Zustand befindet.

 

Der Kläger erwarb von der Beklagten, einer Autohändlerin, am 6. Dezember 2005 zu einem Preis von 17.900 € einen Oldtimer Daimler Benz 280 SE, der ihm am 10. Dezember 2005 übergeben wurde. In der dem Kaufvertrag zugrunde liegenden "Verbindlichen Bestellung" ist unter der Rubrik "Ausstattung" ausgeführt "positive Begutachtung nach § 21c StVZO (Oldtimer) im Original".

 

 

 

Die Beklagte hatte das Fahrzeug zum Zweck der Begutachtung nach § 21c StVZO aF ("Oldtimerzulassung") beim TÜV vorführen lassen und am 14. Oktober 2004 eine gemäß § 21c Abs. 1 Satz 5 StVZO* die Hauptuntersuchung ersetzende positive Begutachtung erhalten.

 

 

 

Im September 2007 wurde der Kläger anlässlich verschiedener durchzuführender Arbeiten auf erhebliche Durchrostungsschäden aufmerksam. Ein von ihm eingeschalteter Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass massive Korrosionsschäden nicht fachgemäß repariert und durch starken Auftrag von Unterbodenschutz kaschiert worden seien.

 

Der Kläger hat Zahlung der (nach seiner Behauptung) für die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Oldtimers erforderlichen Kosten in Höhe von 34.344,75 € nebst Zinsen verlangt. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 33.300 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Es meint, dass sich die von der Beklagten bezüglich der "Oldtimerzulassung" übernommene Verpflichtung darauf beschränke, dem Kläger die TÜV-Bescheinigung im Original auszuhändigen.

 

Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision des Klägers hatte Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Klausel "positive Begutachtung nach § 21c StVZO (Oldtimer) im Original" eine Beschaffenheitsvereinbarung darstellt. Die Vertragsparteien haben dadurch vereinbart, dass sich das Fahrzeug in einem Zustand befindet, der die Erteilung einer entsprechenden TÜV-Bescheinigung rechtfertigt. Denn es entspricht dem - für den Verkäufer erkennbaren – Interesse des Käufers, dass diese amtliche Bescheinigung zu Recht erteilt wurde, dass also der Zustand des Fahrzeugs hinsichtlich der Verkehrssicherheit und der weitgehend originalen Beschaffenheit die Erteilung der "Oldtimerzulassung" rechtfertigt.

 

Da der Wagen wegen massiver Durchrostungen an Radhäusern und Innenschwellern nicht fahrbereit war und die TÜV-Prüfung daher nicht zu einer Erteilung der Bescheinigung hätte führen dürfen, hatte er bei Übergabe an den Kläger nicht die vereinbarte Beschaffenheit und war deshalb nicht gemäß § 434 Abs.1 Satz 1 BGB** frei von Sachmängeln.

 

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, da dieses noch keine Feststellungen zur Schadenshöhe getroffen hat.

 

*§ 21c StVZO: Gutachten für die Erteilung einer Betriebserlaubnis als Oldtimer [bis zum 28. Februar 2007 geltende Fassung]

 

(1) Für die Erteilung einer Betriebserlaubnis als Oldtimer gelten die §§ 20 und 21. Zusätzlich ist das Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen erforderlich. Dieses Gutachten muss mindestens folgende Angaben enthalten:

 

-die Feststellung, dass dem Fahrzeug ein Oldtimerkennzeichen nach § 23 Abs. 1c zugeteilt werden kann,

 

-den Hersteller des Fahrzeugs einschließlich seiner Schlüsselnummer,

 

-die Fahrzeugidentifizierungsnummer,

 

-das Jahr der Erstzulassung,

 

-den Ort und das Datum des Gutachtens,

 

-die Unterschrift mit Stempel und Kennnummer des amtlich anerkannten Sachverständigen.

 

Die Begutachtung ist nach einer im Verkehrsblatt nach Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörden bekanntgemachten Richtlinie durchzuführen und das Gutachten nach einem in der Richtlinie festgelegten Muster auszufertigen. Im Rahmen der Begutachtung ist auch eine Untersuchung im Umfang einer Hauptuntersuchung nach § 29 durchzuführen, es sei denn, daß mit der Begutachtung gleichzeitig ein Gutachten nach § 21 erstellt wird.

 

 

**§ 434 BGB: Sachmangel

 

(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. …

 

Urteil vom 13. März 2013 - VIII ZR 172/12

 

LG Bochum - Urteil vom 4. September 2009 – I-4 O 73/08

 

OLG Hamm - Urteil vom 24. April 2012 – I-28 U 197/09

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 13. März 2013)


BGH zur Frage der Umsatzsteuererstattung nach Verkehrsunfall

 

Der VI. Senat ("Unfall-Senat") des BGH hatte sich mit der Frage zu befassen, ob ein Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer bei Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs besteht, wenn nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot nur Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten besteht.

 

Mit seinem Urteil vom 05.02.2013 (Az. VI ZR 363/11) hat er dies bejaht. Die Leitsätze:

 

Wählt der Geschädigte den Weg der Ersatzbeschaffung, obwohl nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot nur ein Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten besteht, und rechnet er den Schaden konkret auf der Grundlage der Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs ab, steht ihm ein Anspruch auf Ersatz von Umsatzsteuer zu, wenn bei der Ersatzbeschaffung tatsächlich Umsatzsteuer angefallen ist.

 

Der Anspruch ist auf den Umsatzsteuerbetrag begrenzt, der bei Durchführung der notwendigen Reparatur angefallen wäre.


Nachbesserungsverlangen beim Kauf eines Neuwagens

 

 

Der Bundesgerichtshof hat sich in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob sich der Käufer eines Neuwagens noch auf die fehlende Fabrikneuheit des Fahrzeugs berufen kann, wenn er die Abnahme des an Lackierung und Karosserie beschädigten Fahrzeugs nicht generell abgelehnt, sondern zunächst eine Beseitigung der Schäden verlangt hat und diese anschließend nur unzureichend gelungen ist.

 

Der Kläger bestellte im November 2009 bei der Beklagten, einer BMW-Vertragshändlerin, zum Preis von 39.000 € einen BMW 320d als Neuwagen. Im Dezember 2009 verweigerte er die Annahme des Fahrzeugs wegen Schäden an der Lackierung und der Karosserie und verlangte unter Fristsetzung Nachbesserung. Gestützt auf ein Sachverständigengutachten, das die daraufhin vorgenommene Nachbesserung für nicht ordnungsgemäß erachtet hatte, lehnte er Mitte Januar 2010 eine Übernahme des Fahrzeugs erneut ab und trat vom Vertrag zurück, nachdem die Beklagte sich darauf berufen hatte, dass das Fahrzeugs nunmehr mängelfrei sei.

 

Der Kläger hat die Beklagte auf Rückzahlung der von ihm geleisteten Anzahlung in Höhe von 10.000 €, Freistellung von den zur Fahrzeugfinanzierung eingegangenen Darlehensverbindlichkeiten sowie Ersatz von Sachverständigenkosten in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger sich angesichts seines Nachbesserungsverlangens nicht mehr auf die fehlende Fabrikneuheit des Fahrzeugs berufen könne und die verbliebenen Mängel, auch wenn zu deren Beseitigung Kosten von bis zu sieben Prozent des Kaufpreises anfallen könnten, lediglich optischer Natur und kaum wahrnehmbar seien.

 

Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision des Klägers hatte Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Käufer eines Neuwagens grundsätzlich erwarten kann, dass die von ihm verlangte Nachbesserung technisch den Zustand herbeiführt, der dem werksseitigen Auslieferungsstandard entspricht. Verlangt der Käufer eines Neuwagens die Beseitigung von Mängeln, verzichtet er damit nicht auf die mit der Neuwagenbestellung vereinbarte Beschaffenheit einer Fabrikneuheit des Fahrzeugs. Wird durch die Nachbesserungsarbeiten ein Fahrzeugzustand, wie er normalerweise bei einer werksseitigen Auslieferung besteht, nicht erreicht, kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten. Der Rücktritt ist dabei auch nicht durch § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB* ausgeschlossen. Denn der als Beschaffenheit vereinbarte fabrikneue Zustand des Fahrzeugs ist ein maßgeblicher Gesichtspunkt bei der Kaufentscheidung und spielt auch wirtschaftlich eine Rolle, da Fahrzeuge, die nicht mehr als fabrikneu gelten, mit deutlichen Preisabschlägen gehandelt werden.

 

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur Klärung neu aufgetretener Umstände, die aus prozessualen Gründen im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden konnten, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

*323 BGB: Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung

 

 

(5) … Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

 

Urteil vom 6. Februar 2013 - VIII ZR 374/11

 

LG Bochum - Urteil vom 23. Februar 2011 – 6 O 151/10

 

OLG Hamm - Urteil vom 10. November 2011 – I-2 U 68/11

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 6. Februar 2013)


Bundesgerichtshof entscheidet zur werkvertraglichen Fürsorgepflicht eines Landwirts, der einen
Unternehmer mit der Ausführung von Drescharbeiten auf seinem Feld beauftragt


Der unter anderem für das Werkvertragsrecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass es einem Landwirt, der einen Unternehmer damit beauftragt, Lagerraps auf seinem 6,44 ha großen, frei zugänglichen Feld zu dreschen, auch unter Berücksichtigung der werkvertraglichen Fürsorgepflicht in der Regel nicht zumutbar ist, vor Ausführung der Arbeiten das Feld daraufhin zu untersuchen, ob Fremdkörper oder Werkzeuge aus dem Boden herausragen, die zu einer Schädigung des Mähdreschers führen können.

Die Beklagte beauftragte die Klägerin, den auf ihrem Feld stehenden Raps zu dreschen, der sich zumindest teilweise infolge von Witterung und Gewicht abgesenkt hatte (sog. Lagerraps) und deshalb bodennah zu ernten war. Bei den Drescharbeiten nahm der Mähdrescher eine im Raps liegende Kreuzhacke auf, schleuderte sie in das Dreschwerk und beschädigte dadurch den Mähdrescher erheblich. Die Klägerin hat die Beklagte auf Ersatz der Reparaturkosten und der Mietkosten für einen Ersatzmähdrescher in Anspruch genommen.

Die Klage hat in den Vorinstanzen überwiegend Erfolg gehabt. Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben.

Die Parteien streiten darüber, wer die Kreuzhacke in das Feld verbracht und dort liegen gelassen hat. Das Berufungsgericht hat dies offengelassen. Es hat die Beklagte als schadensersatzpflichtig angesehen, weil sie ihre der Klägerin gegenüber bestehende werkvertragliche Fürsorgepflicht schuldhaft verletzt habe. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, vor der Vergabe des Dreschauftrags an die Klägerin sicherzustellen, dass sich keine Fremdkörper in dem Feld befanden, die zu einer Schädigung des Mähdreschers hätten führen können. Dem ist der Bundesgerichtshof entgegengetreten. Er hat entschieden, dass ein Landwirt ohne einen greifbaren Anhaltspunkt für eine besondere Gefährdung ein größeres, vom Mähdrescher zu bearbeitendes Feld nicht daraufhin untersuchen muss, ob auf ihm Gegenstände liegen, die den Mähdrescher beschädigen könnten. Der Aufwand für eine solche Untersuchung ist dem Landwirt nicht zumutbar.  

Der Bundesgerichtshof hat die Sache an das Berufungsgericht zur Entscheidung darüber zurückverwiesen, ob davon auszugehen ist, dass Mitarbeiter der Beklagten die Kreuzhacke auf dem Feld liegen gelassen haben.  

Urteil vom 24. Januar 2013 - VII ZR 98/12  

OLG Köln, Urteil vom 9. März 2012 - 1 U 48/11

LG Bonn, Urteil vom 24. Juni 2011 - 2 O 17/11

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 24. Januar 2013)


Bundesgerichtshof erkennt Schadensersatz für den Ausfall eines Internetanschlusses zu

 

 

Der unter anderem für das Telekommunikationsrecht zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Kunden eines Telekommunikationsunternehmens Schadensersatz für den mehrwöchigen Ausfall seines DSL-Anschlusses zuerkannt.

 

Infolge eines Fehlers des beklagten Telekommunikationsunternehmens bei einer Tarifumstellung konnte der Kläger seinen DSL-Internetanschluss in der Zeit vom 15. Dezember 2008 bis zum 16. Februar 2009 nicht nutzen. Über diesen Anschluss wickelte er auch seinen Telefon- und Telefaxverkehr ab (Voice und Fax over IP, VoIP). Neben Mehrkosten, die infolge des Wechsels zu einem anderen Anbieter und für die Nutzung eines Mobiltelefons anfielen, verlangt der Kläger Schadensersatz für den Fortfall der Möglichkeit, seinen DSL-Anschluss während des genannten Zeitraums für die Festnetztelefonie sowie für den Telefax- und Internetverkehr zu nutzen, in Höhe von 50 € täglich. In den Vorinstanzen sind dem Kläger 457,50 € für das höhere, bei dem anderen Anbieter anfallende Entgelt sowie für die Kosten der Mobilfunknutzung zuerkannt worden. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat der Kläger seinen Schadensersatzanspruch für die entgangenen Nutzungsmöglichkeiten seines DSL-Anschlusses weiter verfolgt.

 

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Ersatz für den Ausfall der Nutzungsmöglichkeit eines Wirtschaftsguts grundsätzlich Fällen vorbehalten bleiben, in denen sich die Funktionsstörung typischerweise als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt.

 

In Anwendung dieses Maßstabs hat der III. Zivilsenat einen Schadensersatzanspruch wegen des Ausfalls des Telefaxes verneint. Dieses vermittelt lediglich die Möglichkeit, Texte oder Abbildungen bequemer und schneller als auf dem herkömmlichen Postweg zu versenden. Der Fortfall des Telefaxes wirkt sich zumindest in dem hier in Rede stehenden privaten Bereich nicht signifikant aus, zumal diese Art der Telekommunikation zunehmend durch die Versendung von Text- und Bilddateien mit elektronischer Post verdrängt wird.

 

Im Ergebnis hat der Senat einen Schadensersatzanspruch auch für den Ausfall des Festnetztelefons abgelehnt. Allerdings stellt die Nutzungsmöglichkeit des Telefons ein Wirtschaftsgut dar, dessen ständige Verfügbarkeit für die Lebensgestaltung von zentraler Wichtigkeit ist. Die Ersatzpflicht des Schädigers für die entgangene Möglichkeit, Nutzungsvorteile aus einem Wirtschaftsgut zu ziehen, entfällt jedoch, wenn dem Geschädigten ein gleichwertiger Ersatz zur Verfügung steht und ihm der hierfür anfallende Mehraufwand ersetzt wird. Dies war vorliegend der Fall, weil der Kläger im maßgeblichen Zeitraum ein Mobiltelefon nutzte und er die dafür angefallenen zusätzlichen Kosten ersetzt verlangen konnte.

 

Demgegenüber hat der Senat dem Kläger dem Grunde nach Schadensersatz für den Fortfall der Möglichkeit zuerkannt, seinen Internetzugang für weitere Zwecke als für den Telefon- und Telefaxverkehr zu nutzen. Die Nutzbarkeit des Internets ist ein Wirtschaftsgut, dessen ständige Verfügbarkeit seit längerer Zeit auch im privaten Bereich für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist. Das Internet stellt weltweit umfassende Informationen in Form von Text-, Bild-, Video- und Audiodateien zur Verfügung. Dabei werden thematisch nahezu alle Bereiche abgedeckt und verschiedenste qualitative Ansprüche befriedigt. So sind etwa Dateien mit leichter Unterhaltung ebenso abrufbar wie Informationen zu Alltagsfragen bis hin zu hochwissenschaftlichen Themen. Dabei ersetzt das Internet wegen der leichten Verfügbarkeit der Informationen immer mehr andere Medien, wie zum Beispiel Lexika, Zeitschriften oder Fernsehen. Darüber hinaus ermöglicht es den weltweiten Austausch zwischen seinen Nutzern, etwa über E-Mails, Foren, Blogs und soziale Netzwerke. Zudem wird es zunehmend zur Anbahnung und zum Abschluss von Verträgen, zur Abwicklung von Rechtsgeschäften und zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten genutzt. Der überwiegende Teil der Einwohner Deutschlands bedient sich täglich des Internets. Damit hat es sich zu einem die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht.

 

Zur Höhe des Schadensersatzes hat der Senat ausgeführt, dass der Kläger in Übertragung der insoweit von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auf die vorliegende Fallgestaltung einen Betrag verlangen kann, der sich nach den marktüblichen, durchschnittlichen Kosten richtet, die in dem betreffenden Zeitraum für die Bereitstellung eines DSL-Anschlusses mit der vereinbarten Kapazität ohne Telefon- und Faxnutzung angefallen wären, bereinigt um die auf Gewinnerzielung gerichteten und sonstigen, eine erwerbwirtschaftliche Nutzung betreffenden Wertfaktoren.

 

Zur näheren Sachaufklärung hierzu hat der Senat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Urteil vom 24. Januar 2013 – III ZR 98/12

 

AG Montabaur - Urteil vom 7. Dezember 2010 – 5 C 442/10

 

LG Koblenz - Urteil vom 7. März 2012 – 12 S 13/11

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichttshofs vom 24. Januar 2013)


"Montagsauto"

 

Jeder kennt es: das Montagsauto, auch Zitrone genannt. Dauernd ist etwas kaputt, der Wagen ist häufiger in der Werkstadt als daheim und die Mängel werden nicht weniger.

 

Ein derartiges Exemplar war nun Gegenstand einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

 

Der Bundesgerichtshof hat sich in einer Entscheidung mit der Frage befasst, wann ein Fahrzeug als sogenanntes "Montagsauto" einzustufen ist und daher ein weiteres Nacherfüllungsverlangen für den Käufer unzumutbar ist.

 

Der Kläger kaufte am 14. Juni 2008 zum Preis von 133.743 € brutto von der Beklagten ein neues Wohnmobil, das ihm Ende April 2009 gegen Zahlung des Kaufpreises ausgeliefert wurde.

 

Im Zeitraum von Mai 2009 bis März 2010 brachte der Kläger das Wohnmobil insgesamt dreimal zur Durchführung von Garantiearbeiten in die Werkstatt der Beklagten. So rügte er am 16. Mai 2009 zwanzig Mängel (u.a. Knarren der Satellitenantenne beim Ausfahren, Flecken in der Spüle, schief sitzende Abdeckkappen der Möbelverbinder, lose Stoßstange, Lösen der Toilettenkassette aus der Halterung während der Fahrt). Am 6. August 2009 und am 1. März 2010 rügte er jeweils weitere Mängel.

 

Mit Anwaltsschreiben vom 1. April 2011 erklärte der Kläger – nachdem er zwischenzeitlich weitere Mängel selbst beseitigt hatte und erneut Garantiearbeiten hatte durchführen lassen - den Rücktritt vom Kaufvertrag und rügte das Vorhandensein von fünfzehn Mängeln, deren Beseitigung nach den Erkenntnissen eines von ihm beauftragten Sachverständigen einen Kostenaufwand von 5.464 € netto verursachen würde. Die Beklagte wies den Rücktritt zurück und bot die Beseitigung vorhandener Mängel im Wege der Nacherfüllung an. Hiervon machte der Kläger keinen Gebrauch. Er vertritt die Auffassung, in Anbetracht der Vielzahl der insgesamt aufgetretenen Mängel ("Montagsauto") sei der Rücktritt vom Kaufvertrag ohne vorherige Fristsetzung zur Mängelbeseitigung zulässig.

 

Mit seiner Klage macht der Kläger Rückzahlung des Kaufpreises (abzüglich Wertminderung) und Erstattung aufgewendeter Gutachterkosten, insgesamt 125.185,86 € (nebst Zinsen), Zug um Zug gegen Rückgabe des Wohnmobils geltend. Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.

 

Auch die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Frage, unter welchen Voraussetzungen bei einem gehäuften Auftreten von Mängeln ein sogenanntes "Montagsauto" vorliegt, bei dem eine (weitere) Nacherfüllung für den Käufer gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB* entbehrlich oder nach § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB** unzumutbar ist, der wertenden Betrachtung durch den Tatrichter unterliegt. Ob ein Neufahrzeug im Hinblick auf die Art, das Ausmaß und die Bedeutung der aufgetretenen Mängel als "Montagsauto" anzusehen ist, beurteilt sich dabei danach, ob der bisherige Geschehensablauf aus Sicht eines verständigen Käufers die Befürchtung rechtfertigt, es handele sich um ein Fahrzeug, das wegen seiner auf herstellungsbedingten Qualitätsmängeln beruhenden Fehleranfälligkeit insgesamt mangelhaft ist und auch zukünftig nicht frei von herstellungsbedingten Mängeln sein wird.

 

Das Berufungsgericht hat im vorliegenden Fall eine Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht als unzumutbar angesehen. Dabei ist es rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Umstand, dass innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums zahlreiche Mängel aufgetreten sind, aufgrund anderer bedeutsamer Aspekte entscheidend an Gewicht verliert. Insbesondere handelt es sich nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Wertung des Berufungsgerichts bei der weitaus überwiegenden Anzahl der vom Kläger beanstandeten Mängel um bloße Bagatellprobleme, die nicht die technische Funktionstüchtigkeit des Fahrzeugs, sondern dessen Optik und Ausstattung betreffen und denen das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei lediglich "Lästigkeitswert" beigemessen hat.

 

*§ 323 BGB: Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung

 

(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.

 

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn

 

 

3. besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.

 

 

**§ 440 BGB: Besondere Bestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz

 

Außer in den Fällen des § 281 Abs. 2 und des § 323 Abs. 2 bedarf es der Fristsetzung auch dann nicht, wenn der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 3 verweigert oder wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist. …

 

Urteil vom 23. Januar 2013 - VIII ZR 140/12

 

LG Osnabrück - Urteil vom 17. November 2011 – 1 O 901/11

 

OLG Oldenburg - Urteil vom 4. April 2012 – 3 U 100/11

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 23. Januar 2013)


Bundesgerichtshof zur Haftung für die Unfallfreiheit eines bei einem Autokauf vom Händler in Zahlung genommenen Gebrauchtwagens

 

 

Der Bundesgerichtshof hat heute eine Entscheidung zur Haftung des Käufers getroffen, der beim Kauf eines Fahrzeugs von einem Händler einen Gebrauchtwagen als unfallfrei in Zahlung gibt.

 

Der Beklagte erwarb im Mai 2003 einen gebrauchten Audi A 6. Im Dezember 2003 erlitt er mit dem Fahrzeug einen Unfall, als beim Rückwärtsfahren aus einer Parklücke der Unfallgegner seine Fahrzeugtür öffnete. Den entstandenen Streifschaden an der hinteren rechten Tür und an der Seitenwand, der sich nach einem eingeholten Gutachten auf knapp 3.000 € belief, ließ er - nicht fachgerecht – reparieren.

 

Im Juli 2004 verkaufte die Klägerin, eine Autohändlerin, dem Beklagten einen VW Passat und nahm den Audi A 6 in Zahlung. Dabei wurde im Ankaufsschein unter der vorgedruckten Rubrik "Das Fahrzeug hat keine/folgende Unfallschäden erlitten" das Wort "keine" eingekreist und unterstrichen.

 

Die Klägerin veräußerte den Audi A 6 im März 2005 als "laut Vorbesitzer unfallfrei" weiter. Kurze Zeit nach der Übergabe verlangte der Erwerber des Fahrzeugs wegen verschiedener Mängel Rückabwicklung des Kaufvertrages. In dem hierüber geführten Prozess unterlag die Klägerin und nahm das Fahrzeug gegen Zahlung des Kaufpreises nebst Zinsen zurück.

 

Die Klägerin nimmt den Beklagten Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs auf Erstattung der an den Erwerber gezahlten Beträge sowie der Kosten des Vorprozesses, insgesamt 41.106,75 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Kosten, in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen.

 

Die Revision der Klägerin hatte teilweise Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein stillschweigender Gewährleistungsausschluss im Hinblick auf Unfallschäden schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil die Parteien im Ankaufsschein eine bestimmte Beschaffenheit des Fahrzeugs, nämlich die Unfallfreiheit, im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB* vereinbart haben. Nach der Rechtsprechung des Senats kann im Fall einer vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung selbst ein daneben ausdrücklich vereinbarter Gewährleistungsausschluss nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er die Unverbindlichkeit der Beschaffenheitsvereinbarung zur Folge haben soll. Für einen stillschweigend vereinbarten Gewährleistungsausschluss kann nicht anderes gelten.

 

Die Klägerin kann von dem Beklagten jedoch nur Erstattung des an den Erwerber des Fahrzeugs zurückgezahlten Kaufpreises verlangen. Für die Kosten des Vorprozesses muss der Beklagte nicht aufkommen, da diese Schäden nur der Klägerin, nicht aber dem Beklagten zugerechnet werden können. Denn die Klägerin hat sich auf einen für sie erkennbar aussichtslosen Prozess mit dem Erwerber des Fahrzeugs eingelassen. Die Beanstandungen des Erwerbers machten eine eingehende Untersuchung des Fahrzeugs durch einen Fachmann erforderlich. Bei deren Durchführung hätte die Klägerin die Unfallschäden ohne weiteres erkennen und der Rückabwicklung des Kaufvertrages unverzüglich zustimmen müssen.

 

*§ 434 BGB: Sachmangel

 

(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. …

 

Urteil vom 19. Dezember 2012 - VIII ZR 117/12

 

LG Marburg – Urteil vom 18.10.2010 - 7 O 124/09

 

OLG Frankfurt - Urteil vom 21.03.2012 -15 U 258/10

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 2012)


Bundesgerichtshof zur Haftung des Waldbesitzers für Verletzung eines Spaziergängers durch herabstürzenden Ast

 

 

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen eines Unfalls bei einem Waldspaziergang auf Schadensersatz in Anspruch.

 

Als die Klägerin im Juli 2006 bei sehr warmem Wetter und leichtem Wind auf einem Forstwirtschaftsweg durch ein Waldgrundstück der Beklagten zu 1 ging, brach von einer circa 5 m neben dem Weg stehenden Eiche ein langer Ast ab und traf sie am Hinterkopf. Sie erlitt eine schwere Hirnschädigung. Der Beklagte zu 2 ist Diplom-Forstwirt und bei der Beklagten zu 1 für den Bereich des Waldgrundstücks zuständig.

 

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht den Schmerzensgeldanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und dem Feststellungsantrag stattgegeben. Nach seiner Auffassung ist auch ein privater Waldbesitzer, der weiß, dass sein Wald von Erholungssuchenden frequentiert wird, zumindest eingeschränkt verkehrs-sicherungspflichtig. Er sei gehalten, in gelegentlichen Begehungen die am Rande der Erholungswege stehenden Bäume zu kontrollieren und einzuschreiten, wenn sich ihm konkrete Anhaltspunkte für eine besondere, unmittelbare Gefährdung böten. Diese Voraussetzungen hat das Oberlandesgericht im Streitfall bejaht, da von dem unfallverursachenden Baum schon lange eine akute Gefahr ausgegangen sei. Diese hätte ein geschulter Baumkontrolleur bei einer Sichtkontrolle vom Boden aus erkennen müssen.

 

Auf die Revisionen der Beklagten hat der für das Schadensersatzrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Klage abgewiesen. Er hat eine Haftung der Beklagten verneint.

 

Nach den im Einklang mit § 14 BWaldG erlassenen landesrechtlichen Vorschriften (hier: § 25 des Waldgesetzes für das Saarland) ist das Betreten des Waldes zu Erholungszwecken jedermann gestattet. Die Benutzung des Waldes geschieht jedoch auf eigene Gefahr. Dem Waldbesitzer, der das Betreten des Waldes dulden muss, sollen dadurch keine besonderen Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten erwachsen. Er haftet deshalb nicht für waldtypische Gefahren, sondern nur für solche Gefahren, die im Wald atypisch sind. Dazu zählen insbesondere die Gefahren, die nicht durch die Natur bedingt sind. Die Gefahr eines Astabbruchs ist dagegen grundsätzlich eine waldtypische Gefahr. Sie wird nicht deshalb, weil ein geschulter Baumkontrolleur sie erkennen kann, zu einer im Wald atypischen Gefahr, für die der Waldbesitzer einzustehen hätte.

 

Urteil vom 2. Oktober 2012 - VI ZR 311/11

 

Landgericht Saarbrücken - Urteil vom 3. März 2010 - 12 O 271/06

 

Saarländisches Oberlandesgericht - Urteil vom 9. November 2011 - 1 U 177/10-46

 

Karlsruhe, den 2. Oktober 2012

 

Waldgesetz für das Saarland (Landeswaldgesetz - LWaldG)

 

§ 25

 

Betreten des Waldes

 

(1) Das Betreten des Waldes zum Zweck der naturverträglichen Erholung ist jedermann gestattet. …

 

 

(5) Die Benutzung des Waldes erfolgt auf eigene Gefahr. Besondere Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten werden nicht begründet. …

 

Gesetz zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft

 

Bundeswaldgesetz

 

§ 14 Betreten des Waldes

 

(1) Das Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung ist gestattet. Das Radfahren, das Fahren mit Krankenfahrstühlen und das Reiten im Walde ist nur auf Straßen und Wegen gestattet. Die Benutzung geschieht auf eigene Gefahr. Dies gilt insbesondere für waldtypische Gefahren.

 

(2) Die Länder regeln die Einzelheiten. Sie können das Betreten des Waldes aus wichtigem Grund, insbesondere des Forstschutzes, der Wald- oder Wildbewirtschaftung, zum Schutz der Waldbesucher oder zur Vermeidung erheblicher Schäden oder zur Wahrung anderer schutzwürdiger Interessen des Waldbesitzers, einschränken und andere Benutzungsarten ganz oder teilweise dem Betreten gleichstellen.

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 02.10.2012)


Schadensersatz- und Erfüllungsansprüchen gegen den englischen

Lebensversicherer Clerical Medical

 

Der unter anderem für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute in mehreren Verfahren darüber entschieden, welche Ansprüche Versicherungsnehmern, die in den Jahren 2001 und 2002 kreditfinanzierte Lebensversicherungsverträge des Produkttyps "Wealthmaster Noble" bei dem englischen Lebensversicherer Clerical Medical Investment Ltd. abgeschlossen haben, gegen diesen Versicherer zustehen.

 

Den Verfahren IV ZR 151/11 und 164/11 lag dabei folgender Sachverhalt zugrunde:

 

Bei diesen anteilsgebundenen Lebensversicherungen haben die Kläger gegen Zahlung eines Einmalbetrags Anteile an einem "Pool mit garantiertem Wertzuwachs", dem "Euro-Pool 2000EINS" erworben. Die Verträge, die die Kläger jeweils aufgrund einer Werbung durch "Untervermittler" geschlossen haben, sind eingebettet in ein Anlagemodell "Europlan"; dieses sieht vor, dass die Zinsen für das Bankdarlehen durch vertraglich bedungene Auszahlungen aus der Lebensversicherung zu entrichten sind und im Übrigen durch einen Investmentfonds ein Kapitalstock gebildet wird, der bei Endfälligkeit des Darlehens zu dessen Tilgung verwendet werden soll, während weitere über diesen Zeitpunkt hinausreichende Auszahlungen den Versicherungsnehmern als fortlaufende Rente zur Verfügung stehen sollen.

 

Nachdem der Wertzuwachs der den Klägern zugeteilten Poolanteile in der Folgezeit nicht ausreichte, um die zunächst getätigten Auszahlungen in vollem Umfang zu decken, reduzierte die Beklagte unter Berufung auf ihre Versicherungsbedingungen die Anzahl der den Klägern zugewiesenen Anteile und damit den jährlich mitgeteilten Vertragswert.

 

Die Kläger verfolgen in erster Linie Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit den Vertragsabschlüssen; sie berufen sich u.a. darauf, dass die Beklagte mit unrealistischen Renditeerwartungen geworben habe bzw. durch ihre Untervermittler habe werben lassen, und verlangen Ersatz des ihnen durch Abschluss der Verträge entstandenen Vertrauensschadens, insbesondere Freistellung von den Verbindlichkeiten aus den Darlehensverträgen. Hilfsweise begehren sie die Erfüllung des Auszahlungsplans ohne Rücknahme von Anteilen.

 

In der Vorinstanz hat das OLG Stuttgart in beiden Verfahren die Beklagte jeweils zur Erfüllung des in den Versicherungsscheinen festgelegten Auszahlungsplans verurteilt. Die primär geltend gemachten Schadensersatzansprüche hat es im Hinblick auf das Bestehen dieser Erfüllungsansprüche abgewiesen.

 

Auf die Revisionen der Parteien hat der Bundesgerichtshof die Berufungsurteile aufgehoben und die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Hierfür waren im Wesentlichen folgende Gründe maßgebend:

 

Auf Grundlage der schriftlichen Vertragsunterlagen ist anzunehmen, dass die Verpflichtung der Beklagten zur Erfüllung der in den Versicherungsscheinen vorgesehenen Auszahlungspläne nicht unter dem Vorbehalt einer ausreichenden Kapitaldeckung steht. Die objektive Auslegung der in die Verträge einbezogenen Policenbedingungen der Beklagten ergibt keine wirksame Einschränkung dieser Verpflichtung.

 

Die vom OLG Stuttgart insoweit ausgesprochenen Verurteilungen konnten nur deshalb nicht bestehen bleiben, weil dieses dem unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten, dass die Parteien den fraglichen Klauseln aufgrund entsprechender Erläuterungen des Vermittlers beim Vertragsabschluss übereinstimmend ein von dem Ergebnis objektiver Auslegung abweichendes Verständnis beigelegt hätten, nicht nachgegangen war. Insoweit bedarf es weiterer Feststellungen.

 

Weiter hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass die geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht allein wegen des Bestehens der vorstehend genannten Auszahlungsansprüche abgewiesen werden durften. Insoweit ist es für einen Schaden ausreichend, dass der abgeschlossene Vertrag sich für die Kläger auch ungeachtet bestehender Erfüllungsansprüche als wirtschaftlich nachteilig darstellt, weil er sie – u.a. aufgrund der eingegangenen Darlehensverpflichtungen – in ihrer wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit beeinträchtigt und ihren Anlagezielen nicht entspricht. Zu den Schadensersatzansprüchen hat der Senat ferner ausgeführt:

 

Der Abschluss der Lebensversicherung "Wealthmaster Noble" stellt sich bei wirtschaftlicher Betrachtung in erster Linie als ein Anlagegeschäft dar, weshalb die Beklagte wie bei sonstigen Anlagegeschäften auch verpflichtet war, die Kläger bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen vollständig über alle Umstände zu informieren, die für ihren Anlageentschluss von besonderer Bedeutung waren.

 

In diesem Rahmen muss die Beklagte sich nach § 278 BGB das Handeln und die Erklärungen der tätig gewordenen Untervermittler zurechnen lassen, da sie im Rahmen eines so genannten Strukturvertriebs die mit dem Vertrieb der Lebensversicherung in Deutschland verbundenen Aufgaben selbständigen Vermittlern überlassen hat.

 

Die bestehenden Aufklärungspflichten hat die Beklagte nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachverhalt vor allem dadurch verletzt, dass sie den Klägern ein unzutreffendes, zu positives Bild der zu erwartenden Rendite gegeben hat. Den Klägern wurden Musterberechnungen übergeben, die auf einer Renditeprognose von 8,5 % basieren, obwohl die Beklagte selbst nur eine Rendite von 6 % als realistisch angesehen hat, was in den Hinweisen zu den Musterberechnungen nicht ausreichend deutlich kenntlich gemacht ist.

 

Des Weiteren war die Beklagte zu einer verständlichen Information darüber verpflichtet, dass sie im Rahmen des von ihr praktizierten Glättungsverfahrens ("smoothing") nach eigenem Ermessen darüber entscheidet, in welcher Höhe eine tatsächlich erzielte Rendite an die Versicherungsnehmer weitergeben wird und in welcher Höhe sie in Reserven fließt. Sie musste ferner darüber aufklären, dass die mit den Beiträgen der Kläger gebildeten Reserven auch zur Erfüllung der Garantieansprüche der Anleger anderer Pools verwendet werden können (Problem der Quersubventionierung).

 

Die in den Policenbedingungen enthaltenen Regelungen zur "Marktpreisanpassung" hat der Senat für unwirksam erachtet, weil sie gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßen.

 

In drei weiteren ähnlich gelagerten Fällen hat der Senat die Berufungsurteile ebenfalls mit entsprechenden Begründungen aufgehoben und die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Berufungsgerichte zurückverwiesen.

 

Urteile vom 11. Juli 2012

 

IV ZR 122/11

 

Landgericht Heilbronn – Urteil vom 8. Juli 2010 – 4 O 280/09

 

Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 12. Mai 2011 – 7 U 144/10

 

und

 

IV ZR 151/11

 

Landgericht Heilbronn – Urteil vom 8. Juli 2010 – 4 O 284/09

 

Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 18. Juli 2011 – 7 U 146/10

 

und

 

IV ZR 164/11

 

Landgericht Heilbronn – Urteil vom 8. Juli 2010 – 4 O 222/09

 

Oberlandesgericht Stuttgart – Urteil vom 25. Juli 2011– 7 U 152/10

 

und

 

IV ZR 271/10

 

Landgericht Freiburg – Urteil vom 12. Juni 2009 – 5 O 354/07

 

Oberlandesgericht Karlsruhe in Freiburg – Urteil vom 18. November 2010 – 4 U 130/09

 

und

 

IV ZR 286/10

 

Landgericht Konstanz – Urteil vom 10. Juni 2009 – 4 O 89/08

 

Oberlandesgericht Karlsruhe in Freiburg – Urteil vom 30. November 2010 – 9 U 75/09

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 11.07.2012)


Bundesgerichtshof zur Haftungskürzung wegen Mitverschuldens bei Nichtanlegen des Sicherheitsgurts

 

Die Klägerin befuhr mit ihrem Pkw nachts gegen 3:10 Uhr eine Bundesautobahn und verlor aus ungeklärten Gründen die Kontrolle über ihr Fahrzeug. Dieses geriet ins Schleudern, stieß gegen die Mittelplanke und kam auf der linken Fahrspur unbeleuchtet zum Stehen. Kurz darauf prallte der Beklagte zu 1, der mit einer Geschwindigkeit von 130 km/h und eingeschaltetem Abblendlicht gefahren war, mit seinem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw auf das Fahrzeug der Klägerin. Diese wurde schwer verletzt. Sie hat Schadensersatz unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote von 1/3 begehrt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Haftungsquote grundsätzlich auf 60 % abgesenkt. Da die Klägerin bei dem Zweitunfall nicht angeschnallt war, hat es hinsichtlich des der Klägerin infolge ihrer Körperverletzung entstandenen Schadens einen höheren Mitverursachungsanteil angenommen und insoweit eine Haftungsquote von nur 40 % angeordnet. Mit der Revision wollte die Klägerin eine Haftung der Beklagten hinsichtlich sämtlicher Schäden mit einer einheitlichen Quote von 60 % erreichen.

 

Die Revision hatte Erfolg. Nach § 21a Abs. 1 StVO* müssen vorgeschriebene Sicherheitsgurte während der Fahrt grundsätzlich angelegt sein. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift kann hinsichtlich unfallbedingter Körperschäden zu einer Haftungskürzung wegen Mitverursachung führen. Da die Beklagten hier nur für die Folgen des Zweitunfalls haften, ist für die Frage der Mitverursachung durch die Klägerin allein von Bedeutung, ob zum Zeitpunkt des Zweitunfalls noch eine Anschnallpflicht bestand. Das war nicht der Fall, denn der Aufprall des von dem Beklagten zu 1 gelenkten Pkw ereignete sich nicht "während der Fahrt" ihres eigenen Pkw. Dessen Fahrt war vielmehr dadurch beendet worden, dass der Pkw unfallbedingt an der Leitplanke zum Stehen gekommen war. Nachdem es zu diesem Unfall gekommen war, war die Klägerin mithin nicht nur berechtigt, den Gurt zu lösen, um ihr Fahrzeug verlassen und sich in Sicherheit bringen zu können, sondern gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 2 StVO** sogar dazu verpflichtet, nämlich um die Unfallstelle sichern zu können. Ihr kann deshalb nicht angelastet werden, unangeschnallt gewesen zu sein, als sich der Zweitunfall ereignete.

 

Der u.a. für das Verkehrshaftungsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsurteil deshalb aufgehoben und die Entscheidung zugunsten der Klägerin abgeändert.

 

Urteil vom 28. Februar 2012 – VI ZR 10/11

 

OLG Karlsruhe – Entscheidung vom 15. Dezember 2010 – 1 U 108/10

 

LG Baden-Baden – Entscheidung vom 20. Mai 2010 – 3 O 565/09

 

Karlsruhe, den 28. Februar 2012

 

Straßenverkehrs-Ordnung – StVO

 

* § 21a Sicherheitsgurte, Schutzhelme

 

(1) Vorgeschriebene Sicherheitsgurte müssen während der Fahrt angelegt sein. ...

 

.........

 

** § 34 Unfall

 

(1) Nach einem Verkehrsunfall hat jeder Beteiligte

 

1.......

 

2. den Verkehr zu sichern ...

 

..............

 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 28.02.2012)


Bundesgerichtshof zu Pharming-Angriffen im Online-Banking

 

Der Bundesgerichtshof mußte sich mit der Frage beschäftigen, ob eine Bank dafür haftet, wenn der Kunde unbedacht mehrere Transaktionsnummern preisgibt und dadurch unberechtigte Abbuchungen ermöglicht.

 

Die Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 24.04.2012:

 

Der für das Bank- und Börsenrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, unter welchen Voraussetzungen ein Bankkunde sich im Online-Banking bei einem Pharming-Angriff schadensersatzpflichtig macht.

 

Im zugrundeliegenden Fall nimmt der Kläger die beklagte Bank wegen einer von ihr im Online-Banking ausgeführten Überweisung von 5.000 € auf Rückzahlung dieses Betrages in Anspruch.

 

Der Kläger unterhält bei der Beklagten ein Girokonto und nimmt seit 2001 am Online-Banking teil. Für Überweisungsaufträge verwendet die Beklagte das sog. iTAN-Verfahren, bei dem der Nutzer nach Erhalt des Zugangs durch Eingabe einer korrekten persönlichen Identifikationsnummer (PIN) dazu aufgefordert wird, eine bestimmte, durch eine Positionsnummer gekennzeichnete (indizierte) Transaktionsnummer (TAN) aus einer ihm vorher zur Verfügung gestellten, durchnummerierten TAN-Liste einzugeben.

 

 

 

In der Mitte der Log-In-Seite des Online-Bankings der Beklagten befand sich folgender Hinweis:

 

"Derzeit sind vermehrt Schadprogramme und sogenannte Phishing-Mails in Umlauf, die Sie auffordern, mehrere Transaktionsnummern oder gar Kreditkartendaten in ein Formular einzugeben. Wir fordern Sie niemals auf, mehrere TAN gleichzeitig preiszugeben! Auch werden wir Sie niemals per E-Mail zu einer Anmeldung im … Net-Banking auffordern!"

 

Am 26. Januar 2009 wurde vom Girokonto des Klägers nach Eingabe seiner PIN und einer korrekten TAN ein Betrag von 5.000 € auf ein Konto bei einer griechischen Bank überwiesen. Der Kläger, der bestreitet, diese Überweisung veranlasst zu haben, erstattete am 29. Januar 2009 Strafanzeige und gab Folgendes zu Protokoll:

 

"Im Oktober 2008 - das genaue Datum weiß ich nicht mehr - wollte ich ins Online-banking. Ich habe das Online-banking der … Bank angeklickt. Die Maske hat sich wie gewohnt aufgemacht. Danach kam der Hinweis, dass ich im Moment keinen Zugriff auf Online-banking der ... Bank hätte. Danach kam eine Anweisung zehn Tan-Nummern einzugeben. Die Felder waren nicht von 1 bis 10 durchnummeriert, sondern kreuz und quer. Ich habe dann auch die geforderten Tan-Nummern, die ich schon von der Bank hatte, in die Felder chronologisch eingetragen. Danach erhielt ich dann Zugriff auf mein Online-banking. Ich habe dann unter Verwendung einer anderen Tan-Nummer eine Überweisung getätigt."

 

Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt, da ein Täter nicht ermittelt werden konnte.

 

Die Klage auf Zahlung von 5.000 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Kosten ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Der Bundesgerichtshof hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision zurückgewiesen.

 

Die Klage ist unbegründet. Auch wenn der Kläger die Überweisung der 5.000 € nicht veranlasst hat, ist sein Anspruch auf Auszahlung dieses Betrages erloschen, weil die Beklagte mit einem Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe gemäß § 280 Abs. 1 BGB aufgerechnet hat.

 

Der Kläger ist nach dem in seiner Strafanzeige vorgetragenen Sachverhalt Opfer eines Pharming-Angriffs geworden, bei dem der korrekte Aufruf der Website der Bank technisch in den Aufruf einer betrügerischen Seite umgeleitet worden ist. Der betrügerische Dritte hat die so erlangte TAN genutzt, um der Bank unbefugt den Überweisungsauftrag zu erteilen. Der Kläger hat sich gegenüber der Bank durch seine Reaktion auf diesen Pharming-Angriff schadensersatzpflichtig gemacht. Er hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, indem er beim Log-In-Vorgang, also nicht in Bezug auf einen konkreten Überweisungsvorgang, trotz des ausdrücklichen Warnhinweises der Bank gleichzeitig zehn TAN eingegeben hat. Für die Haftung des Kunden reicht im vorliegenden Fall einfache Fahrlässigkeit aus, weil § 675v Abs. 2 BGB, der eine unbegrenzte Haftung des Kunden bei missbräuchlicher Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit vorsieht, erst am 31. Oktober 2009 in Kraft getreten ist.

 

Ein anspruchsminderndes Mitverschulden der Bank hat das Berufungsgericht zu Recht verneint. Nach seinen Feststellungen ist die Bank mit dem Einsatz des im Jahr 2008 dem Stand der Technik entsprechenden iTAN-Verfahrens ihrer Pflicht zur Bereitstellung eines möglichst wenig missbrauchsanfälligen Systems des Online-Banking nachgekommen. Sie hat auch keine Aufklärungs- oder Warnpflichten verletzt. Ob mit der Ausführung der Überweisung der Kreditrahmen des Kunden überschritten wurde, ist unerheblich, weil Kreditinstitute grundsätzlich keine Schutzpflicht haben, Kontoüberziehungen ihrer Kunden zu vermeiden. Einen die einzelne Transaktion unabhängig vom Kontostand beschränkenden Verfügungsrahmen hatten die Parteien nicht vereinbart.

 

Urteil vom 24. April 2012 - XI ZR 96/11

 

Amtsgericht Düsseldorf - Urteil vom 6. April 2010 - 36 C 13469/09

 

Landgericht Düsseldorf - Urteil vom 19. Januar 2011 - 23 S 163/10


Haftungskürzung wegen Mitverschuldens bei Nichtanlegen des Sicherheitsgurts

 

Die Klägerin befuhr mit ihrem Pkw nachts gegen 3:10 Uhr eine Bundesautobahn und verlor aus ungeklärten Gründen die Kontrolle über ihr Fahrzeug. Dieses geriet ins Schleudern, stieß gegen die Mittelplanke und kam auf der linken Fahrspur unbeleuchtet zum Stehen. Kurz darauf prallte der Beklagte zu 1, der mit einer Geschwindigkeit von 130 km/h und eingeschaltetem Abblendlicht gefahren war, mit seinem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw auf das Fahrzeug der Klägerin. Diese wurde schwer verletzt. Sie hat Schadensersatz unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote von 1/3 begehrt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Haftungsquote grundsätzlich auf 60 % abgesenkt. Da die Klägerin bei dem Zweitunfall nicht angeschnallt war, hat es hinsichtlich des der Klägerin infolge ihrer Körperverletzung entstandenen Schadens einen höheren Mitverursachungsanteil angenommen und insoweit eine Haftungsquote von nur 40 % angeordnet. Mit der Revision wollte die Klägerin eine Haftung der Beklagten hinsichtlich sämtlicher Schäden mit einer einheitlichen Quote von 60 % erreichen.

 

Die Revision hatte Erfolg. Nach § 21a Abs. 1 StVO* müssen vorgeschriebene Sicherheitsgurte während der Fahrt grundsätzlich angelegt sein. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift kann hinsichtlich unfallbedingter Körperschäden zu einer Haftungskürzung wegen Mitverursachung führen. Da die Beklagten hier nur für die Folgen des Zweitunfalls haften, ist für die Frage der Mitverursachung durch die Klägerin allein von Bedeutung, ob zum Zeitpunkt des Zweitunfalls noch eine Anschnallpflicht bestand. Das war nicht der Fall, denn der Aufprall des von dem Beklagten zu 1 gelenkten Pkw ereignete sich nicht "während der Fahrt" ihres eigenen Pkw. Dessen Fahrt war vielmehr dadurch beendet worden, dass der Pkw unfallbedingt an der Leitplanke zum Stehen gekommen war. Nachdem es zu diesem Unfall gekommen war, war die Klägerin mithin nicht nur berechtigt, den Gurt zu lösen, um ihr Fahrzeug verlassen und sich in Sicherheit bringen zu können, sondern gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 2 StVO** sogar dazu verpflichtet, nämlich um die Unfallstelle sichern zu können. Ihr kann deshalb nicht angelastet werden, unangeschnallt gewesen zu sein, als sich der Zweitunfall ereignete.

 

Der u.a. für das Verkehrshaftungsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsurteil deshalb aufgehoben und die Entscheidung zugunsten der Klägerin abgeändert.

 

Urteil vom 28. Februar 2012 – VI ZR 10/11

 

OLG Karlsruhe – Entscheidung vom 15. Dezember 2010 – 1 U 108/10

 

LG Baden-Baden – Entscheidung vom 20. Mai 2010 – 3 O 565/09

 

Straßenverkehrs-Ordnung – StVO

 

* § 21a Sicherheitsgurte, Schutzhelme

 

(1) Vorgeschriebene Sicherheitsgurte müssen während der Fahrt angelegt sein. ...

 

.........

 

** § 34 Unfall

 

(1) Nach einem Verkehrsunfall hat jeder Beteiligte

 

1.......

 

2. den Verkehr zu sichern ......

 

Pressemitteilung des BGH

 


Kein Schmerzensgeld für Schockschaden nach Tod eines Haustiers

 

Während das Miterleben des Todes eines nahen Angehörigen zu einem Anspruch auf Schmerzensgeld führen kann, ist dies beim Tod eines Haustieres nicht der Fall. So sieht dies jedenfalls der BGH:

 

 

Die Rechtsprechung zu Schmerzensgeldansprüchen in Fällen psychisch vermittelter Gesundheitsbeeinträchtigungen mit Krankheitswert bei der Verletzung oder Tötung von Angehörigen oder sonst nahestehenden Personen (sog. Schockschäden) ist nicht auf Fälle psychischer Gesundheitsbeeinträchtigungen im Zusammenhang mit der Verletzung oder Tötung von Tieren zu erstrecken.

BGH, Urteil vom 20. März 2012 - VI ZR 114/11 - OLG Köln

LG Aachen

 

BGB §§ 253, 823 Abs. 1 Aa, F; StVG § 7 Abs. 1, § 11 Satz 2, § 18 Abs. 1


Schadensersatz nach Verkehrsunfall: Quotelung von Sachverständigenkosten

 

Nach einem Verkehrsunfall mit nicht nur unerheblichem Sachschaden sollte jeder Geschädigte sein Fahrzeug bei einem unabhängigen Sachverständigen begutachten lassen. Keinesfalls sollte er sich auf einen Gutachter oder Schadenschnelldienst des gegnerischen Versicherers einlassen.

 

Nun kostet so ein Gutachten natürlich Geld. Wenn der Gegner vollständig für den Unfall verantwortlich ist, dann hat er auch die Kosten des Gutachters in vollem Umfang zu tragen. Interessant wird es, wenn eine Quotelung der Haftung erfolgt. Es gab eine im Vordringen befindliche Rechtsprechung einiger Gerichte, die den Schädiger auch in diesem Fall voll für das Gutachten haften lassen wollten.

 

Dieser Rechtsmeinung hat der BGH nun einen Riegel vorgeschoben. Die Pressemitteilung zu der Entscheidung:

 

Wird ein Fahrzeug bei einem Verkehrsunfall beschädigt, hat der Schädiger, soweit zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs eine Begutachtung des beschädigten Fahrzeugs durch einen Sachverständigen erforderlich und zweckmäßig ist, grundsätzlich auch die dadurch entstehenden Kosten zu ersetzen. Trifft den geschädigten Fahrzeughalter an dem Unfall ein Mitverschulden, ist sein Ersatzanspruch gegebenenfalls auf eine Haftungsquote begrenzt. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob auch die Sachverständigenkosten wie die übrigen Schadenspositionen des Geschädigten zu quoteln sind oder ob der Geschädigte die Sachverständigenkosten trotz seines Mitverschuldens in voller Höhe beanspruchen kann. Diese Frage ist in der Rechtsprechung in jüngster Zeit unterschiedlich beurteilt worden. Während nach Auffassung u. a. des OLG Frankfurt a. M. der Anspruch auf Ersatz der Sachverständigenkosten nicht entsprechend der Verursachungsquote zu kürzen sein soll, hat das OLG Celle – ebenso wie mehrere andere Gerichte – gegenteilig entschieden.

Der für das Schadensersatzrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat nunmehr klargestellt, dass die Sachverständigenkosten ebenso wie die übrigen Schadenspositionen des Geschädigten nur im Umfang der Haftungsquote zu ersetzen sind.

 

Urteile vom 7. Februar 2012

VI ZR 133/11

LG Darmstadt – Entscheidung vom 3. März 2009 - 27 O 259/08

OLG Frankfurt a.M. – Entscheidung vom 5. April 2011 - 22 U 67/09

 

und

 

VI ZR 249/11

LG Stade – Entscheidung vom 2. Februar 2011 - 5 O 430/09

OLG Celle – Entscheidung vom 24. August 2011 - 14 U 47/11


Starke Worte

 

Manchmal erfordert es ein Zivilverfahren, dass die eigene Position mit starken und deutlichen Worten vertreten wird. Es ist dann auch notwendig, auf Ungereimtheiten auf der Seite des Gegners hinzuweisen und dafür klare Worte zu finden.

 

In einem Fall, den der BGH zu entscheiden hatte ging es um eine Schmerzensgeldforderung von jemandem, der sich in dieser Situation beleidigt und herabgesetzt gefühlt hatte. Er machte nach dem Tod seiner Frau Ansprüche aus Lebensversicherungsverträgen in Millionenhöhe geltend. Der Versicherer hatte Zweifel daran, ob es sich bei dem Tod der Versicherungsnehmerin um einen natürlichen Todesfall handelte oder ob der Anspruchsteller den Versicherungsfall herbeigeführt hatte.

 

Erstinstanzlich wurden die Ansprüche auf Zahlung verneint, auf seine Berufung wurde ihm die Versicherungssumme zugesprochen. Er wollte nun aber Schmerzensgeld wegen der Unterstellungen, am Tode seiner Frau beteiligt gewesen zu sein, haben.

 

Zu Unrecht, wie der BGH in seiner Entscheidung vom 28.02.2012 (Az. VI ZR 79/11) feststellte. Der Leitsatz lautet:

 

Für Klagen auf Zahlung einer Geldentschädigung, die auf ehrkränkende Äußerungen in einem anderen Gerichtsverfahren bzw. gegenüber den Strafverfolgungsbehörden gestützt werden, besteht in aller Regel kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Äußerungen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienten oder in Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte oder Pflichten gemacht wurden.

 

 


Kostenpauschale nach Verkehrsunfall

 

Der Geschädigte hat nach einem Verkehrsunfall auch Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen, die er zur Schadensregulierung aufwenden musste. Hierunter fallen z. B. Fahrt- und Telefonkosten. Ohne Einzelnachweis waren dies bislang regelmäßig 25,00 EUR. Das AG Helmstedt hat sich nun in einer aktuellen Entscheidung vom 02.03.2012 (Az. 2 C 428/11) der Meinung angeschlossen, dass auch 30,00 EUR erstattungsfähig sein können.


Der Doktor und das kranke Pferd

 

Burgwedel ist, wie die angrenzenden Gemeinden Isernhagen und Wedemark, stark ländlich geprägt. Entscheidungen aus dem Bereich des Pferderechts dürften daher auf besonderes Interesse stoßen.

Der Bundesgerichtshof hat nun in einer Entscheidung vom 26.01.2012 (Az. VII ZR 164/11) die Rechte des Käufers nach einer Ankaufsuntersuchung gestärkt und seine Möglichkeiten auf Schadensersatz erweitert.

Der Leitsatz der Entscheidung lautet:

"Ein Tierarzt, der seine Pflichten aus einem Vertrag über die Ankaufsuntersuchung eines Pferdes verletzt und deshalb einen unzutreffenden Befund erstellt hat, haftet unabhängig von einer etwaigen Haftung des Verkäufers seinem Vertragspartner auf Ersatz des Schadens, der diesem dadurch entstanden ist, dass er das Pferd aufgrund des fehlerhaften Befundes erworben hat (...)."


Was war passiert? Der Kläger verlangt von dem beklagten Tierarzt Schadensersatz, weil dieser bei einer Ankaufsuntersuchung Schäden im Kniegelenk des untersuchten Hengstes nicht bemerkt hatte, obwohl ausdrücklich eine Röntgenuntersuchung vereinbart war. das Tier war daher für den gewünschten Zweck ungeeignet und der Kläger wollte Schadensersatz.

Im Instanzenzug hatte das OLG Schleswig  festgestellt, dass die werkvertragliche Haftung des Tierarztes nachrangig zu den Ansprüchen des Klägers gegen den Käufer sei.

Der BGH hat in Fortsetzung seiner Rechtsprechung entschieden, dass sowohl der Verkäufer als auch der Tierarzt als Gesamtschuldner für den Schadensersatz in gleicher Weise haften und es sich der Kläger aussuchen konnte, wen er in Anspruch nimmt.